Antrag 139/I/2014 Vorratsdatenspeicherung

Status:
Annahme

Wir lehnen die Wiedereinführung einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung ab. Eine großflächig eingesetzte technische Infrastruktur zur Überwachung und Speicherung von Telekommunikationsdaten passt nicht in unser Bild einer modernen und solidarischen Gesellschaft.

 

Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung, die SPD Bundestagsfraktion, und die sozialdemokratischen Mitglieder der S&D-Fraktion im Europäischen Parlament daher auf,

 

  • sich gegen eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung jeglicher Art in Deutschland und auf europäischer Ebene auszusprechen und entsprechende Gesetzesinitiativen abzulehnen
  • sich dafür einzusetzen, Strafverfolgungsbehörden mit ausreichendem Budget, Personal und Know-How so auszustatten, dass eine effektive Strafverfolgung möglich ist.
Beschluss: Annahme
Beschluss-PDF:
Stellungnahme(n):
  Stellungnahme der SPD-Europaabgeordneten   Seit der Antragstellung 2014 gab es hinsichtlich der Wiedereinführung einer Vorratsdatenspeicherung einige relevante Entwicklungen: Im Juni 2015 hat ein SPD-Parteikonvent sich nach intensiven Debatten mehrheitlich für die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. Im Oktober 2015 stimmte dann eine Mehrheit im Bundestag mit den Stimmen der SPD-Bundestagsfraktion für den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten - ohne, dass es hierfür eine europarechtliche Verpflichtung gab. Derzeit sind mehrere Verfassungsbeschwerden gegen das neue deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung beim Bundesverfassungsgericht anhängig.   Die ehemalige EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung wurde im April 2014 vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) für grundrechtswidrig und nichtig erklärt. Seither hat die EU-Kommission keinen neuen Richtlinienentwurf vorgelegt - wahrscheinlich auch, weil die vom EuGH auferlegten Hürden für ein solches EU-Instrument sehr hoch sind.   Stellungnahme der Landesgruppe Drucksache 18/5088 Die Koalition hat das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten beschlossen. Wir schaffen damit einen fairen Kompromiss zwischen Bürgerrechten und effektiver Strafverfolgung, und wir legen damit einen jahrelangen Streit endlich bei.  
  • In Zukunft sollen Telekommunikationsunternehmen bestimmte Verkehrsdaten speichern, insbesondere die Rufnummer der beteiligten Telefonanschlüsse, Zeitpunkt und Dauer eines Anrufs, bei Mobilfunk die Standortdaten sowie wann und wie lange eine IP-Adresse einem bestimmten Computer, Smartphone o.ä. zugeordnet war, d.h. wann von diesem Gerät das Internet benutzt wurde.
  • Nicht gespeichert wird der Inhalt von Telefongesprächen, welche Internetseiten aufgerufen wurden oder der Versand und Inhalt von E-Mails.
  • Die Daten werden grundsätzlich zehn Wochen gespeichert; die besonders sensiblen Standortdaten lediglich vier Wochen. Nach Ablauf der Fristen müssen die Daten binnen einer Woche gelöscht werden. Für die Speicherung gelten hohe Sicherheitsanforderungen. Bei Verstößen drohen den Unternehmen Geldbußen von 100.000 bis 500.000 Euro.
  • Genutzt werden dürfen die Daten von der Staatsanwaltschaft zur Verfolgung einzeln aufgeführter besonders schwerer Straftaten, insbesondere bei terroristischen Taten und anderen Delikten gegen Leib, Leben, Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung, also etwa bei Mord, Totschlag oder schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern. Außerdem können die Länder ihre Polizeigesetze so ändern, dass ihre Polizeien die Daten auch nutzen dürfen, um konkrete Gefahren für höchste Rechtsgüter abzuwehren.
  • Die Daten werden bei den Telekommunikationsunternehmen gespeichert. Die Strafverfolgungsbehörden können nur dann einzelne Daten nutzen, wenn ein Richter oder eine Richterin dies für den konkreten Einzelfall nach Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen erlaubt. Die Datennutzung unterliegt also einem umfassenden Richtervorbehalt.
  • Von der Speicherpflicht ausgenommen sind Daten, die etwa bei der Kontaktaufnahme zu Telefonseelsorge-Hotlines anfallen. Daten, die bei der Kommunikation mit Personen anfallen, denen die Strafprozessordnung ein Zeugnisverweigerungsrecht einräumt (etwa Geistliche, Rechtsanwälte, Ärzte, Apotheker, Journalisten, Volksvertreter) dürfen von den Strafverfolgungsbehörden nicht genutzt werden. Zufallsfunde unterliegen einem Verwertungsverbot, d.h. sie dürfen in keinem Fall genutzt werden.
  Mit diesem Gesetzentwurf beachten wir nicht nur die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofes, sondern unser Vorschlag ist auch deutlich restriktiver als das, was früher als Vorratsdatenspeicherung bezeichnet wurde:  
  • Es werden weniger Daten gespeichert; so sind etwa E-Mail-Daten jetzt ausgenommen.
  • Es wird sehr viel kürzer gespeichert; die alte EU-Richtlinie sah eine Speicherung bis zu zwei Jahren vor.
  • Die Voraussetzungen für den Zugriff auf die Daten sind strenger; der Kreis der Taten, für deren Aufklärung die Daten genutzt werden dürfen, ist enger.
  Mit dem Gesetzentwurf schlagen wir zugleich vor, den neuen Straftatbestand der „Datenhehlerei“ zu schaffen. Daten sind nicht nur ein wichtiges Instrument zur Strafverfolgung. Wir müssen zugleich sicherstellen, dass Daten auch vor Ausspähung geschützt sind und es keinenHandel mit ausgespähten Daten gibt. Dabei achten wir auch hier auf die Pressefreiheit und stellen ausdrücklich klar, dass journalistische Tätigkeiten zur Vorbereitung einer konkreten Veröffentlichung keine Datenhehlerei sind.   Ein Teil des Landesparteitagsantrages befasste sich auch mit der Forderung einer deutlich besseren personellen Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden. Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich massiv für eine Stärkung der Strafverfolgungsbehörden ein. In den kommenden drei Jahren werden deshalb jährlich 1.000 neue Stellen bei der Bundespolizei geschaffen, bzw. werden AnwärterInnen ausgebildet.