Antrag 70/II/2015 Sichere Nahrungsmittelversorgung durchsetzen

Status:
Annahme

Laut UNO-Statistik leben 800 Mio. Menschen weltweit permanent unterernährt und alle 7 Sekunden stirbt ein Kind aufgrund mangelnder Ernährung. Von 200 kg Getreide kann man einen Menschen ein Jahr lang gut ernähren – oder sein Auto zweimal volltanken. Mit der Verbreitung elektrischer Antriebe in PKW´s muss deshalb die Herstellung von Biokraftstoffen, die aus landwirtschaftlicher Produktion entstehen, sukzessive auf Null gefahren werden. Deshalb möge sich die SPD in der Bundesregierung für eine Revidierung der 2003 geänderten Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung (Art. 17 StÄndG 2003; BGBl. Jg. 2003 Teil I Nr. 62 ausgegeben zu Bonn am 19.12.2003) einsetzen, die durch Steuererleichterungen Anreize für die Herstellung von Biokraftstoffen setzt und somit die Nutzung von Raps, Mais, Rüben und anderen landwirtschaftlichen Produkten als Nahrungsmittel, auch für diesbezügliche Katastrophenhilfen in der 3. Welt, einschränkt.

 

Um den Zwischenhändlern und Preisspekulanten den Boden zu entziehen, möge sich die SPD in der Bundesregierung des weiteren dafür einsetzen, dass die staatliche Lageranzahl und -kapazität für lagerfähige landwirtschaftliche Nahrungsmittel erhöht wird und Überschüsse, die den Bedarf einer möglichen Notversorgung der Bevölkerung übersteigen, in den Markt gegeben werden, um damit Preisstabilität zu gewährleisten. Es ist an der Zeit, dass das Menschenrecht auf angemessene Ernährung (Artikel 11, Absatz 2 UN-Sozialpakt) weltweit verwirklicht wird. So kann dazu beigetragen werden, dass soziale Spannungen, die weltweit zu Flucht und kriegerischen Auseinandersetzungen führen, vermieden werden.

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme in der Fassung der AK (Konsens)
Fassung der Antragskommission:

 

Die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung und die Bundestagsfraktion werden aufgefordert, sich für folgende Forderungen zur globalen Ernährungssicherung einzusetzen:

 

1. Deutschland konzentriert sich in seinen Beiträgen zur globalen Ernährungssicherung insbesondere in den Bereichen der Entwicklungszusammenarbeit, der Agrarwirtschaft und des Agrarhandels auf die Stärkung der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in der Entwicklungswelt. Dieses Ziel muss Vorrang haben vor der Zusammenarbeit mit global agierenden Agrarkonzernen in der „Neuen Allianz für Ernährungssicherung“, die in erster Linie darauf ausgerichtet ist, diesen neue Geschäftsfelder und Absatzmärkte zu erschließen.
Stattdessen müssen die Fähigkeiten der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die lokale und regionale Lebensmittelversorgung sicher zu stellen, an den Klimawandel angepasstes Saatgut und entsprechende Methoden der Bodenbearbeitung zu entwickeln, Einkommens- und Beschäftigungsmöglichkeiten im ländlichen Raum zu schaffen und auf diese Weise die Abwanderung der ländlichen Bevölkerung in die städtischen Ballungsräume zu begrenzen,  konsequent genutzt und gestärkt werden.

 

2. Die für die globale Ernährungssicherung vorgesehenen Mittel der Entwicklungszusammenarbeit sind schwerpunktmäßig für die Umsetzung der in dem Weltagrarbericht des UN-Berichterstatters Olivier de Schutter empfohlenen agrarökologischen Strategien zum Aufbau einer ökologisch und sozial nachhaltigen Landwirtschaft einzusetzen.

 

Dazu gehören insbesondere

  • Anerkennung des Rechts auf Nahrung für alle Menschen und seines Vorrangs vor dem Recht auf Verwertung von Kapitaleigentum
  • Demokratische, partizipative und der Rolle von Frauen in der Ernährungssicherung gerecht werdende Produktionssysteme, Konzentration der Agrarforschung auf die nachhaltige Weiterentwicklung einer von externen Einflüssen und Beiträgen – Kreditaufnahme bei Banken, Einsatz von industriell entwickeltem und nicht reproduzierbarem Saatgut, Mineraldünger – möglichst unabhängigen Wirtschaftsweise, Aufbau von Informations- und Beratungssystemen, in denen die Bäuerinnen und Bauern ihr eigenen Wissen einbringen können und best practices in eigener Verantwortung anwenden und weiter geben können
  • Konzentration der Programme zur ländlichen Entwicklung auf „öffentliche Güter“ wie die Verbreitung von Fachwissen durch öffentliche Beratungsstellen mit Beteiligung von Basisorganisationen von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, mit öffentlichen Mitteln unterstützte Ernteausfallversicherungen, Lagerstätten für geerntete Produkte, Vermarktungs- und Kreditgenossenschaften

 

3. Dauerhafte Vorhaltung von ausreichenden Lagerkapazitäten für Nahrungsmittel  für akute Nothilfe und die Prävention von Dürre- und Überschwemmungs- und anderweitige Hungerkatastrophen durch die mit der globalen Ernährungssicherung betrauten UN-Organisationen (FAO, WFP) und ausreichende Finanzierung dieser Vorsorgemaßnahmen durch die internationale Gemeinschaft.

Deutschland sollte sich gemäß seinen Möglichkeiten an der Organisation und Finanzierung dieser Vorsorgemaßnahmen beteiligen und ggf. Geberkonferenzen der wichtigsten Geberstaaten der öffentlichen Entwicklungshilfe initiieren.

Die für solche Notfälle angelegten Depots von lagerfähigen Nahrungsmitteln sind primär aus der jeweiligen Region oder anderen Entwicklungsländern  aufzufüllen. Zur Sicherung der Preisstabilität von Nahrungsmitteln sollten den voraussichtlichen Notbedarf übersteigende Überschüsse in den angesammelten Lebensmittelvorräten an lokale und regionale Märkte abgegeben werden.

 

4. Beseitigung von Anreizen, Landflächen, die Grundversorgung der jeweiligen einheimischen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln benötigt werden, für die Produktion von Agrarkraftstoffen zu verwenden, insbesondere die Abschaffung der steuerlichen Förderung von Agrarkraftstoffen in Deutschland und in der EU. Die Nutzung von Mais, Raps, Rüben, Getreide und anderen landwirtschaftlichen Produkten als Nahrungsmittel und auch als Hilfsgüter für die Katastrophenhilfe darf nicht weiter zugunsten der Produktion von Agrarkraftstellen einschränkt werden.

 

5. Wirksame Unterbindung reiner Finanzspekulationen mit Nahrungsmitteln durch geeignete Regulierungen der Produkt- und Finanzmärkte

 

6. Finanzielle Ausstattung des UNHCR, des Welternährungsprogramms WFP und anderer Organisationen der internationalen Flüchtlingshilfe, insbesondere in den Krisengebieten im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika südlich der Sahara (Nachbarstaaten Syriens, Jemen, Südsudan) durch die Internationale Gemeinschaft auf einem Niveau, das den Tagesbedarf von Geflüchteten zu 100 Prozent abdeckt und die Anschaffung des Lebensmittelbedarfs für die in den Flüchtlingslagern zu versorgenden Menschen im Voraus zu günstigeren Bedingungen möglichst aus regionalen Quellen ermöglicht

 

Begründung:

Laut UNO-Statistik leiden 800 Millionen Menschen weltweit an Unterernährung und weitere hunderte Millionen an Fehlernährung. Alle 7 Sekunden stirbt ein Kind aufgrund mangelnder Ernährung. Die für zwei Tankfüllungen aus Agrokraftstoffen erforderliche Getreidemenge von 200 kg reicht aus, um einen Menschen ein Jahr lang gut zu ernähren. Die vorgeschlagenen Maßnahmen können erheblich dazu beitragen, das Menschenrecht auf angemessene Ernährung (Artikel 11, Absatz 2 des UN-Pakts für Wirtschaftliche und Soziale Rechte) und Ziel 1 der Sustainable Development Goals (Nachhaltige Entwicklungsziele) der UN (Beendigung von Armut und Kampf gegen den Hunger)  zu erreichen. Sie können gleichzeitig dazu beitragen, soziale Spannungen, die weltweit zu Flucht und kriegerischen Auseinandersetzungen führen, abzubauen oder ganz zu vermeiden.

Stellungnahme(n):
  Beschluss des ordentlichen Bundesparteitages 2017:  Annahme   Stellungnahme Landesgruppe der Berliner SPD - Bundestagsabgeordneten   70/II/2015 Sichere Nahrungsmittelversorgung durchsetzen Die SPD Bundestagsfraktion unterstützt nachhaltige Entwicklung als Strategie gegen Hunger und Armut, gegen Umweltzerstörung, Migration und Vertreibung, gegen Staatszerfall, bewaffnete Konflikte, Gewalt, Krieg und Terrorismus. Sie leistet einen Beitrag zu politischer, ökonomischer, ökologischer und sozialer Stabilität in unseren Partnerländern.   Im Rahmen unserer Entwicklungspolitik wollen wir mehr in die ländliche Entwicklung, in den Klimaschutz, in die Anpassung an den Klimawandel und in Erneuerbare Energien investieren. Ein dringend erforderlicher Schritt ist dabei auch die Verhinderung von großflächigen Landnahmen durch Staaten und multinationale Konzerne, dem so genannten landgrabbing, auf Kosten der Kleinbauern und der einheimischen Landwirtschaft. Hier sind international verbindliche Regelungen notwendig.   Wir wollen die Partnerländer beim Ausbau sozialer Sicherungssysteme sowie gerechter Steuersysteme unterstützen. Wir stehen zum Prinzip eines freien und fairen Welthandels. Wir setzten uns dafür ein, die Menschenrechte weltweit durchzusetzen, Rechte von Frauen und Kindern zu stärken und Krankheiten wie HIV/AIDS, Tuberkulose und Malaria zu bekämpfen.