Antrag LV04/IV/2017 Resolution: Die Zeit ist reif für mehr Gerechtigkeit!

Status:
Erledigt

10 Berliner Punkte für das SPD-Bundestagswahlprogramm 2017

 

In Berlin ballen sich die Gerechtigkeitsfragen unserer Gesellschaft. Die SPD ist die Partei der Gerechtigkeit. Nach vier Jahren großer Koalition wollen wir daher einen klaren Politikwechsel. Dafür stehen Martin Schulz und die Inhalte, die er mit seiner Kandidatur verbindet: längeres Arbeitslosengeld, mehr Steuergerechtigkeit und Investitionen in bezahlbaren Wohnraum.

 

Wir kämpfen dafür, dass die SPD bei der Bundestagswahl stärkste Kraft wird und ein Regierungsprogramm durchsetzt, welches für Gerechtigkeit sorgt und eine klare Abkehr von der neoliberalen Ideologie der letzten zwei Jahrzehnte bedeutet. Dafür müssen wir zuerst die Menschen in unserem Land für eine gerechtere Gesellschaft gewinnen und dann auch die parlamentarischen Mehrheiten dafür nutzen. Wir sprechen uns deshalb klar und deutlich dafür aus, dass eine Mehrheit links der Unionsparteien nicht mehr tabuisiert werden darf. Ein Rot-Rot-Grünes Bündnis, wie in Berlin, begreifen wir explizit auch auf Bundesebene als legitime Möglichkeit und wollen eine Regierung links von der Union für eine Regierungsbildung.

 

Als SPD setzen wir uns dafür ein, dass der Staat Handlungsspielräume für eine soziale Demokratie schafft. Wer sich wegen zunehmender sozialer Ungleichheit und einer Politik der proklamierten „Alternativlosigkeit“ von uns abgewendet hat, den müssen wir zurückgewinnen.

 

Berliner Themen für das Bundestagswahlprogramm

 

Wir werden das Bundestagswahlprogramm 2017 nutzen, um unseren Berliner Themen auch auf Bundesebene Gehör zu verschaffen. Berlin ist von der Bundespolitik direkt betroffen, viele unserer Reformvorhaben und Politikansätze brauchen Unterstützung durch den Bund. Wir wollen eine solidarische, nachhaltige und weltoffene Politik in Berlin und für die gesamte Bundesrepublik, dafür müssen folgende Punkte im SPD-Wahlprogramm verankert werden:

 

1. Investitionen für eine sozial gerechte Zukunft

 

Für eine sozial gerechte Zukunft braucht es schnell mehr Investitionen. Der Rückstau betrug (nach Berechnungen der kfw) in den Städten bereits 2015 etwa 136 Milliarden Euro und hat sich seitdem auf etwa 150 Milliarden Euro vergrößert. Bundesweit wollen wir in neue Infrastrukturen wie digitale Netze, Stromnetze für die Energiewende, Wasser-, Schiene- und Straßenverkehr in ähnlicher Größenordnung investieren. Daher wollen wir:

 

  • dass die SPD dafür sorgt, dass Haushaltsüberschüsse des Bundes wieder investiert werden: in Infrastruktur, Bildung und Maßnahmen für Gute Arbeit und soziale Sicherheit.
  • dass das Kooperationsverbot im Bildungsbereich, das dem Bund bisher Finanzierungen im Bildungsbereich verbietet, aufheben, damit Investitionen in Bildung wieder uneingeschränkt möglich sind.
  • obwohl die Schuldenbremse den Bund und noch mehr die Länder vor enorme Herausforderungen stellt, Investitionsprogrammen Vorrang einräumen und sie umsetzen. Dabei setzen wir auf die Nutzung der vorhandenen Möglichkeiten der öffentlichen Haushalte und der öffentlichen Betriebe. Sogenannte PPP (public private partnership) oder ÖPP Finanzierungs-Techniken führen meist zu teuren Lösungen, bei denen zudem der öffentliche Einfluss und die demokratische Gestaltung eingeschränkt wird; sie sind deshalb abzulehnen.
  • uns mit der Schuldenbremse und dem Fiskalpakt (der europäischen Schuldenbremse) nicht abfinden. Beide Instrumente wirken in Deutschland und Europa als Bremse für Investitionen. Wir arbeiten für einen erneuerten, modernen Fiskalpakt, der die Neuverschuldung in Höhe der Nettoinvestitionen (goldene Regel) und eine aktive Konjunkturpolitik ermöglicht.

 

2. Gute Arbeit und soziale Sicherheit

 

Es muss zuallererst um die menschliche Gestaltung der Arbeitswelt gehen. Berlin ist Hauptstadt der Start-Ups und der Arbeit 4.0. Die Digitalisierung bringt neue Chancen, aber auch Umwälzungen mit sich. Neue Jobs entstehen, aber auch neue ausbeuterische Arbeitsformen. Wir wollen:

 

  • dass sich die SPD verstärkt für die soziale Absicherung und faire Bezahlung bei den neuen digitalen Arbeitsformen, wie zum Beispiel Crowdworking, einsetzt.
  • die Qualifizierungsoffensive (Aus- und Weiterbildung), vor allem durch Systematisierung der beruflichen Weiterbildung, sinnvolle Weiterentwicklung des Berufsbildungsgesetzes, Recht auf bezahlte Qualifizierungen, Finanzierung auch durch Branchen- und regionale Fonds aus betrieblichen Umlagen fortsetzen und einen stärkeren Fokus auf die Digitalisierung legen.
  • die Hartz-Gesetzgebung in Richtung einer Arbeitsversicherung mit Verlängerung des ALG-I-Bezuges reformieren, die Regelungen zum Schonvermögen gerechter ausgestalten, die Hartz-IV-Sanktionen abschaffen.
  • nicht hinnehmen, dass trotz der guten wirtschaftlichen Entwicklung noch über eine Millionen Menschen langzeitarbeitslos sind. Die SPD soll ein Bundesprogramm zur individuellen Begleitung und Qualifizierung auf den Weg bringen.
  • den Mindestlohn dynamisieren und armutsfest machen, wirksam kontrollieren, durch ein Verbandsklagerecht stärken sowie die Ausnahmen abschaffen.
  • die Lücke zwischen Arbeitsentgelten von Frauen und Männern durch ein wirksames Lohngerechtigkeitsgesetz auch für kleine – und mittelgroße Betriebe schließen.
  • eine Mindestausbildungsvergütung in Höhe des BAföG-Satzes einführen. Zudem soll die Digitalisierung systematisch in das Berufsbildungssystem integriert werden.
  • die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen abschaffen sowie die Entgeltgleichheit von Leiharbeiter*innen und dauerhaften Mitarbeiter*innen durchsetzen.
  • den gesetzlichen Kündigungsschutz stärken und auf Unternehmen auch mit wenigen Beschäftigten ausweiten, um auch Start-Ups einzuschließen.

 

3. Bürger*innenversicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung

 

Wir wollen:

 

  • eine Bürger*innenversicherung einführen, mit der wir anschlussfähig sind, die alle Einkommensarten und Personengruppen (privat Versicherte, Beamte, Soloselbstständige) einbezieht sowie paritätisch finanziert ist.
  • dass die medizinische Versorgung den Bedarfen folgt und nicht länger falschen Honorar- und Einkommensanreizen.

 

4. Die Rente armutssicher gestalten

 

Wir wollen:

 

  • die umlagefinanzierte, solidarische gesetzliche Rente (GRV) wieder zur Hauptsäule der Altersvorsorge machen. Sie muss vor allem lebensstandardsichernd ausgestaltet werden, anstatt zur Grundsicherung zu verkommen.
  • das gesetzliche Rentenniveau deutlich oberhalb von 50 % stabilisieren. Dazu sind die derzeit wirksamen Abschlagsfaktoren abzuschaffen.
  • die Riesterrente bei Vertrauensschutz für bestehende Verträge abschaffen. Es darf keine neuen Subventionen und staatliche Anreize für kapitalgedeckte Systeme geben. Die Finanzierungslücke ab etwa 2020 ist durch den Bundeszuschuss (u. a. freie Mittel Riester) und die vom DGB vorgeschlagene Demografiereserve zu schließen.
  • Einen Anstieg des gesetzlichen Rentenzugangsalter verhindern. Die Lösung liegt nicht in längerem Arbeiten bis 67 als faktischem Zwang, um der Altersarmut zu entgehen.

 

5. Land der Steuergerechtigkeit

 

Einen wesentlichen Bestandteil zu mehr Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft bildet die finanzielle Basis unseres Staates. Den von der Union geschaffenen Reformstau in der Steuerpolitik wollen wir durch ausgewogene Reformen überwinden, die starke Schultern mehr fordern und breite Schichten unserer Gesellschaft entlasten sollen. Es geht aber auch darum, dass endlich die Steuern, die gezahlt werden sollen, auch tatsächlich entrichtet werden! Das Gemeinwesen benötigt sie für Investitionen – und kann diese damit in ausreichendem Umfang finanzieren. Für ein besseres Steuersystem gehören zudem alle Steuerarten – von der Einkommenssteuer bis zur Unternehmensbesteuerung auf den Prüfstand. Wir wollen:

 

  • konsequente Maßnahmen zur Begrenzung von Steuervermeidung (z.B. share deals bei Wohngebäuden) und zum deutlichen Abbau von Steuerhinterziehung (z. B. Panama).
  • eine progressive Einkommenssteuer durchsetzen, die alle Einkommensarten gleichbehandelt und in der Konsequenz eine separate Kapitalertragssteuer überwindet.
  • einen Spitzensteuersatz für hohe und höchste Einkommen (ab 70.000 € Jahresbrutto bei Alleinstehenden und 140.000 € Jahresbrutto bei Paaren) oberhalb von 50% einführen.
  • eine Vermögenssteuer mit progressivem Tarif und der Einbeziehung des Betriebsvermögens wiedereinführen.
  • eine Erbschaftssteuer einführen, die Betriebsvermögen so behandelt, dass reinvestierte Gewinne berücksichtigt werden, um Arbeitsplätze und Wertschöpfung zu sichern und dem Gleichheitsbehandlungsgrundsatz des Bundesverfassungsgerichts gerecht zu werden.
  • die Finanztransaktionssteuer endlich einführen.
  • den Solidarzuschlag aufrechterhalten.

 

Eine solche Steuerpolitik muss einhergehen mit:

 

  • der Pflicht zu einer schärferen Eigenkapitalausstattung von Banken, dem Kampf gegen Schattenbanken und Steueroasen,
  • einer Einführung eines Finanz-TÜVs zur Prüfung und Zulassung neuer Finanzprodukte,
  • einer Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehung nach dem Solidarprinzip.

 

6. Land der Mieterinnen und Mieter

 

Wohnraum wird gerade in Großstädten wie Berlin zur Mangelware und immer mehr Menschen mit niedrigem Einkommen werden aus den Städten gedrängt. Wer den Zusammenhalt unserer Städte nicht gefährden will, muss Mieterinnen und Mieter schützen und die Basis für genug und günstigen Wohnraum für alle legen. Wir wollen:

 

  • bestehenden Mietwohnraum dauerhaft sichern: umfassende Genehmigungspflicht bei Umwandlung in Eigentumswohnungen. Eigenbedarfskündigungen müssen deutlich erschwert und an die Nutzung gebunden werden. Modernisierungen müssen energiekostenneutral und wirtschaftlich sein. Der Schutz bei sozialer Härte muss wieder deutlich verbessert werden.
  • die Mietpreisbremse und das soziale Mietrecht umfassend reformieren. Die zeitliche Beschränkung der Mietpreisbremse muss aufgehoben und der Wucherparagraph wieder wirksam werden. Der Zuschlag von 10 % auf die Vergleichsmiete bei Wiedervermietungen sollte abgeschafft werden. Die Mieterhöhungen müssen künftig in normalen Wohnlagen auf 10 % bzw. 7,5 % in drei Jahren begrenzt werden. In den Mietspiegel müssen alle Mieten einfließen.
  • Eine Änderung des Bodenrechtes: Spekulationsgewinne durch steigende Bodenpreise müssen durch die Gemeinden besser abgeschöpft werden können, die Ankaufs- und Vorkaufsrechte der Gemeinden für günstigen Wohnraum mit angemessenen Preisen sind deutlich zu stärken. Wir fordern eine Abkehr von Grundstücksverkäufen zum Maximalerlös und eine nachhaltige Liegenschaftspolitik von Bundesliegenschaften. Der Bund muss dabei seiner Vorbildrolle gerecht werden.
  • Eine deutliche Aufstockung der Mittel zum Bau von neuen Wohnungen entsprechend der unterschiedlichen Zielgruppen und Einkommensverhältnisse auf Basis von auf Dauer angelegten Bindungen auch in neuen Modellen. Wir brauchen mindestens 180.000 neue Sozialwohnungen bzw. bezahlbare Wohnungen pro Jahr. Die Schaffung von Wohnraum muss eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern bleiben, hierfür bedarf es einer Grundgesetzänderung. Ein besonderer Schwerpunkt muss auf die Förderung kommunaler und genossenschaftlicher Wohnungsbauunternehmen gelegt werden.
  • eine soziale Energiewende von unten: Es braucht aufsuchende Beratung in den Quartieren, Förderung von Effizienz und Erneuerbarer Energien auf Basis von Quartierskonzepten und an der CO2-Einsparung ausgerichtete Zuschüsse. Bei Sanierung und Neubau muss eine ganzheitliche Betrachtung unter Berücksichtigung des „ökologischen Rucksacks“ der eingesetzten Baumaterialien erfolgen. Dies soll um einen Fonds zur Förderung von Rekommunalisierungen ergänzt werden.

 

 

7. Land der Vielfalt

 

Unsere Gesellschaft ist vielfältig in jeder Hinsicht. Einen großen Anteil daran haben auch die Migrationsbewegungen, die immer schon eine Realität in unserem Land waren. Und diese Vielfalt ist die Stärke unseres Landes. Der Zusammenhalt muss staatlich gefördert werden, damit jede und jeder seinen Platz in unserer Gesellschaft findet und niemandem aufgrund seiner Herkunft Teilhabe verwehrt wird. Wir stehen an der Seite der Betroffenen rechter Gewalt, der Geflüchteten und der Engagierten – gegen jegliche menschenfeindliche Einstellungen und Bestrebungen. Wir sind stolz auf das Recht auf Asyl in unserem Land und werden es gegen jedweden Angriff verteidigen. Wir wollen:

 

  • auch auf Bundesebene ein Partizipations- und Integrationsgesetz nach Berliner Vorbild schaffen, um die Interkulturelle Öffnung gesetzlich zu fixieren.
  • das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz konsequent durchsetzen und so Aufstiegshürden verhindern; die gesetzlichen Lücken müssen geschlossen und die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gestärkt werden.
  • den Kampf gegen Rechts und für eine menschenrechtsorientierte Demokratieförderung weiter ausbauen und wichtige dauerhafte Aufgaben in eine Regelfinanzierung überführen.
  • eine frühere und einfachere Erlangung der Staatsbürger*innenschaft und eine generelle Akzeptanz der Mehrstaatigkeit schaffen.
  • Integrationsangebote für alle Geflüchteten möglichst ab dem ersten Tag der Ankunft schaffen, unabhängig von der Einschätzung der Bleibeperspektive.
  • legale und vor allem sichere Zuwanderungswege nach Europa ermöglichen; spezielles Augenmerk gilt hier besonders schutzbedürftigen Personen wie Frauen, Kindern und Menschen mit besonderen Bedürfnissen.
  • Zuwanderungsgrenzen für Geflüchtete verhindern. Der Schutz, den das Grundgesetz politisch Verfolgten garantiert, bleibt unantastbar. Die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Geschützte muss wieder aufgehoben werden.

 

8. Ehe für alle

 

Berlin ist Regenbogenhauptstadt, die Stadt ist offen, vielfältig und queer. Wir sind stolz auf unsere LGBTTIQA*-Community und setzen uns für ihre Gleichstellung ein. Wir wollen:

 

  • uns für ein sofortiges Ende der Diskriminierung für gleichgeschlechtliche Paare in allen Bereichen einsetzen, insbesondere bei der Ehe und beim Adoptionsrecht.
  • uns für die Rehabilitierung und Entschädigung der wegen homosexueller Handlungen nach dem früheren § 175 StGB verurteilte Menschen einsetzen.

 

9. Durch Europa sozialen Frieden garantieren

 

Berlin hat sich von einer geteilten Frontstadt zur europäischen Metropole entwickelt. Ohne die europäische Integration wären unsere Stadt und unsere Leben heute andere. Wir wollen den verschärften Angriffen von Rechts die Vision eines integrierten, sozialen und demokratischen Europas entgegensetzen, indem wir:

 

  • in allen Ländern Europas einen nachhaltigen Wachstumskurs fördert, der die Austeritätspolitik und den Sozialabbau beendet und Investitionen ermöglicht; dies ist nicht nur wirtschaftlich richtig, sondern auch politisch unbedingt notwendig, da nur so die Menschen wieder Vertrauen in die europäische Idee und ihre europäischen Partner gewinnen können.
  • eine europäische Sozialunion schaffen, die Mindeststandards für Arbeitnehmer*innenrechte, Sicherungssysteme und Mitbestimmung beinhaltet.

 

10. Friedenspolitik aktiv gestalten

 

Die Geschichte Berlins führt uns die Notwendigkeit einer Friedenspolitik, die diesen Namen verdient, täglich vor Augen. Wir wollen, dass:

 

  • die eingegangenen Verpflichtungen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit (0,7 % des Bruttoinlandprodukts) eingehalten werden.
  • die Social Development Goals (SDGs) seitens der Bundesrepublik (Nachhaltigkeitsziele, soziale Entwicklung weltweit) konsequent umgesetzt werden.
  • restriktivere Regelungen der deutschen Rüstungsexport-Politik geschaffen werden.
  • ein neuer Rüstungswettlauf verhindert wird.
  • die Außenpolitik ausgleichend ist und die zivile Krisenprävention im Mittelpunkt steht.
Empfehlung der Antragskommission:
Erledigt (Konsens)