Antrag 303/II/2019 (Mieter) Fördern und (Vermieter) Fordern! Wohnraum unter politische Kontrolle bringen: Landesamt für Wohnen einrichten!

Wohnen gehört zu den existenziellen Grundbedürfnissen eines jeden Menschen. Vor dem Hintergrund zunehmender Wohnungsknappheit im Ballungsraum Berlin und exorbitanten Preissteigerungen auf dem Mietwohnungsmarkt, ist die Sicherstellung dieses Grundbedürfnisses für breite Bevölkerungsschichten nicht oder nur unter extremen ökonomischen und psychischen Anstrengungen möglich. Die Problematik beschränkt sich nicht allein auf Menschen in besonderen Lebenslagen und einkommensschwache Haushalte, sondern stellt mittlerweile auch Haushalte mit mittleren Einkommen vor existentielle Probleme.

Die Ursachen sehen wir in einem unzureichenden Mietrecht und eklatanten wohnungspolitischen Fehlentscheidungen der vergangenen 30 Jahre: ein falsch konzipierter sozialer Wohnungsbau mit rückläufigen Beständen, der Verkauf kommunaler Wohnungsbestände, die Aufhebung der Wohnungsgemeinnützigkeit, der an Höchstgeboten orientierte Verkauf öffentlicher Liegenschaften an private und nicht gemeinnützige Investoren, der Spekulation mit Grundstücken und Baugenehmigungen, dem Handeln von Wohnungsbeständen an den Finanzmärkten und den aus diesen Praktiken resultierenden Mietpreiserhöhungen bei Neuvermietung und Modernisierungen.

Die Überlassung der Wohnungsfrage an Mechanismen des Marktes ist nicht nur ein handfestes ökonomisches und oft existentielles Problem der Betroffenen, sondern bedeutet auch die Entpolitisierung der Wohnungspolitik. Wohnungspolitische Fragen werden oft gar nicht mehr als politische Fragen begriffen, sondern zu individuellen und persönlichen Problemen von Marktteilnehmern erklärt.

Die Folgen dieser Politik der Unterlassung sind sichtbar geworden: immer mehr Menschen werden durch die Mietsteigerungen oder Umwandlungen aus ihren Mietverträgen gedrängt, finden nur schwer oder keinen leistbaren Wohnraum mehr und sind damit entweder zeitweise oder dauerhaft von Wohnungslosigkeit bedroht oder betroffen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband spricht von schätzungsweise 50.000 wohnungslosen Menschen in Berlin, dabei ist eine wesentlich höhere Dunkelziffer zu vermuten. Wer erstmal seinen Mietvertrag verloren hat, dem fällt es unter diesen Bedingungen schwer, sich gegen eine Vielzahl an Bewerber*innen durchzusetzen. Diese Zustände wollen wir nicht länger hinnehmen. Wohnen bedeutet Selbstbestimmung, Sicherheit, Begegnung und Teilhabe an der Gesellschaft.

Unser Ziel ist es, dieses Segment der Daseinsvorsorge stärker unter staatliche und politische Kontrolle zu bringen. Unter anderem sind immobilienwirtschaftliche Marktprozesse durch verpflichtende Datenerhebung transparent zu machen und Verstöße gegen wohnungspolitische Regularien zu sanktionieren.

Eine solche Wohnungswirtschaftsaufsicht ist in Berlin auf Landesebene in einem neu zu schaffenden Landesamt für Wohnen zu verankern. Die neue Behörde ist im Verantwortungsbereich der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung angesiedelt, kooperiert mit den Bezirken und unterstützt sie bei der Rechtsdurchsetzung sowohl inhaltlich als auch personell.

Die oben genannten Ziele erreicht das Landesamt für Wohnen durch die Umsetzung vier primärer Aufgabenbereiche:

  • Wohnungsregister:
  • Mit der Schaffung eines Wohnungsregisters soll Transparenz über den verfügbaren Wohnraum, vorhandene Mietverhältnisse und ihre ökonomischen Bedingungen einschließlich der Eigentumsverhältnisse entstehen. Dabei sind die Eigentumsverhältnisse vollständig zu erfassen und jegliche Vertrags- und geplante Nutzungsänderungen verpflichtend an das Landesamt zu übermitteln. Eine detaillierte Mietpreissammlung zum Zwecke der Preisüberwachung und Preisbildung wird angelegt.
  • Durch die hierdurch entstandene transparente Gesamtübersicht, lassen sich systematische Verstöße gegen Mietrecht und Mietpreisregulierungen durch Eigentümer größerer Wohnungsbestände leichter erkennen und sanktionieren.
  • Mietpreiskontrolle:
  • Mit einer systemischen Mietpreiskontrolle setzt die Behörde Maßstäbe für sozial verantwortbare Mietgrenzen, die in ein neues Regelwerk im Sinne eines erweiterten Mietspiegels einfließen können. Dadurch wird ein Instrumentarium geschaffen, mit dem Mietobergrenzen und Mietsenkungen verantwortbar begründet werden können.
  • Durchsetzung Zweckentfremdungsverbot:
    Durch den Gesamtüberblick über Wohnungsbestände infolge einer transparenten Datenlage unterstützt das Landesamt Zweckentfremdung entschieden und mit der Perspektive, zweckentfremdeten Wohnraum wieder einer sozialen Nutzung zuzuführen.
  • Präventionsarbeit:
    Das Landesamt verhindert und bekämpft Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit entschieden und nachdrücklich. Eine Basis für diese Präventionsarbeit ist die Etablierung von Regeln für einen transparenten Informationsfluss hinsichtlich mietrechtlicher Kündigungen und drohender Zwangsräumungen. Hierdurch wird das Ziel verfolgt, Mieter und Vermieter dabei zu unterstützen außergerichtliche Einigungen herbeizuführen.
Empfehlung der Antragskommission:
Annahme (Konsens)
Beschluss: Annahme
Text des Beschlusses:

Wohnen gehört zu den existenziellen Grundbedürfnissen eines jeden Menschen. Vor dem Hintergrund zunehmender Wohnungsknappheit im Ballungsraum Berlin und exorbitanten Preissteigerungen auf dem Mietwohnungsmarkt, ist die Sicherstellung dieses Grundbedürfnisses für breite Bevölkerungsschichten nicht oder nur unter extremen ökonomischen und psychischen Anstrengungen möglich. Die Problematik beschränkt sich nicht allein auf Menschen in besonderen Lebenslagen und einkommensschwache Haushalte, sondern stellt mittlerweile auch Haushalte mit mittleren Einkommen vor existentielle Probleme.

Die Ursachen sehen wir in einem unzureichenden Mietrecht und eklatanten wohnungspolitischen Fehlentscheidungen der vergangenen 30 Jahre: ein falsch konzipierter sozialer Wohnungsbau mit rückläufigen Beständen, der Verkauf kommunaler Wohnungsbestände, die Aufhebung der Wohnungsgemeinnützigkeit, der an Höchstgeboten orientierte Verkauf öffentlicher Liegenschaften an private und nicht gemeinnützige Investoren, der Spekulation mit Grundstücken und Baugenehmigungen, dem Handeln von Wohnungsbeständen an den Finanzmärkten und den aus diesen Praktiken resultierenden Mietpreiserhöhungen bei Neuvermietung und Modernisierungen.

Die Überlassung der Wohnungsfrage an Mechanismen des Marktes ist nicht nur ein handfestes ökonomisches und oft existentielles Problem der Betroffenen, sondern bedeutet auch die Entpolitisierung der Wohnungspolitik. Wohnungspolitische Fragen werden oft gar nicht mehr als politische Fragen begriffen, sondern zu individuellen und persönlichen Problemen von Marktteilnehmern erklärt.

Die Folgen dieser Politik der Unterlassung sind sichtbar geworden: immer mehr Menschen werden durch die Mietsteigerungen oder Umwandlungen aus ihren Mietverträgen gedrängt, finden nur schwer oder keinen leistbaren Wohnraum mehr und sind damit entweder zeitweise oder dauerhaft von Wohnungslosigkeit bedroht oder betroffen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband spricht von schätzungsweise 50.000 wohnungslosen Menschen in Berlin, dabei ist eine wesentlich höhere Dunkelziffer zu vermuten. Wer erstmal seinen Mietvertrag verloren hat, dem fällt es unter diesen Bedingungen schwer, sich gegen eine Vielzahl an Bewerber*innen durchzusetzen. Diese Zustände wollen wir nicht länger hinnehmen. Wohnen bedeutet Selbstbestimmung, Sicherheit, Begegnung und Teilhabe an der Gesellschaft.

Unser Ziel ist es, dieses Segment der Daseinsvorsorge stärker unter staatliche und politische Kontrolle zu bringen. Unter anderem sind immobilienwirtschaftliche Marktprozesse durch verpflichtende Datenerhebung transparent zu machen und Verstöße gegen wohnungspolitische Regularien zu sanktionieren.

Eine solche Wohnungswirtschaftsaufsicht ist in Berlin auf Landesebene in einem neu zu schaffenden Landesamt für Wohnen zu verankern. Die neue Behörde ist im Verantwortungsbereich der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung angesiedelt, kooperiert mit den Bezirken und unterstützt sie bei der Rechtsdurchsetzung sowohl inhaltlich als auch personell.

Die oben genannten Ziele erreicht das Landesamt für Wohnen durch die Umsetzung vier primärer Aufgabenbereiche:

  • Wohnungsregister:
  • Mit der Schaffung eines Wohnungsregisters soll Transparenz über den verfügbaren Wohnraum, vorhandene Mietverhältnisse und ihre ökonomischen Bedingungen einschließlich der Eigentumsverhältnisse entstehen. Dabei sind die Eigentumsverhältnisse vollständig zu erfassen und jegliche Vertrags- und geplante Nutzungsänderungen verpflichtend an das Landesamt zu übermitteln. Eine detaillierte Mietpreissammlung zum Zwecke der Preisüberwachung und Preisbildung wird angelegt.
  • Durch die hierdurch entstandene transparente Gesamtübersicht, lassen sich systematische Verstöße gegen Mietrecht und Mietpreisregulierungen durch Eigentümer größerer Wohnungsbestände leichter erkennen und sanktionieren.
  • Mietpreiskontrolle:
  • Mit einer systemischen Mietpreiskontrolle setzt die Behörde Maßstäbe für sozial verantwortbare Mietgrenzen, die in ein neues Regelwerk im Sinne eines erweiterten Mietspiegels einfließen können. Dadurch wird ein Instrumentarium geschaffen, mit dem Mietobergrenzen und Mietsenkungen verantwortbar begründet werden können.
  • Durchsetzung Zweckentfremdungsverbot:
    Durch den Gesamtüberblick über Wohnungsbestände infolge einer transparenten Datenlage unterstützt das Landesamt Zweckentfremdung entschieden und mit der Perspektive, zweckentfremdeten Wohnraum wieder einer sozialen Nutzung zuzuführen.
  • Präventionsarbeit:
    Das Landesamt verhindert und bekämpft Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit entschieden und nachdrücklich. Eine Basis für diese Präventionsarbeit ist die Etablierung von Regeln für einen transparenten Informationsfluss hinsichtlich mietrechtlicher Kündigungen und drohender Zwangsräumungen. Hierdurch wird das Ziel verfolgt, Mieter und Vermieter dabei zu unterstützen außergerichtliche Einigungen herbeizuführen.
Beschluss-PDF:
Stellungnahme(n):

Stellungnahme der AH-Fraktion 2022: Das Ziel, sozialverträgliche und gesetzeskonforme Mieten in der Stadt zu gewährleisten, ist für die SPD-Fraktion handlungsleitend. Ein mögliches Instrument hierfür ist die Schaffung eines Mietkatasters. Im Koalitionsvertrag hat die rot-grün-rote Koalition hierzu folgendes vereinbart: „Die Koalition prüft binnen eines halben Jahres, wie ein Mietkataster für Wohnen und Gewerbe rechtssicher, effektiv und digital umgesetzt werden kann. Ziel ist die zügige Vorlage eines Gesetzesentwurfs. Das Mietkataster soll Leerstand erfassen, zur Erstellung des Mietspiegels dienen, Steuerhinterziehung besser bekämpfbar machen und für mehr Markttransparenz sorgen, indem Informationen zur Eigentümerstruktur inklusive der wirtschaftlich Berechtigten erfasst werden.“ Darüber hinaus wird die SPD-Fraktion die Bestrebungen des Senats konstruktiv begleiten, Möglichkeiten zu einer Mietpreiskontrolle auf Landesebene zu schaffen.

Stellungnahme des Senats 2022: Diese Anregung wurde in der vergangenen Legislaturperiode nicht aufgegriffen und findet sich auch nicht in den Richtlinien der Regierungspolitik. Die Wohnungsaufsicht wird durch die bezirklichen Wohnungsämter wahrgenommen. Änderungspläne dazu gibt es nicht.
Überweisungs-PDF: