Antrag 304/II/2019 Im Dialog mit der Initiative „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ gemeinsam gegen den Mietenwahnsinn

Status:
Annahme mit Änderungen

Bei Annahme der folgenden Alternativ-Fassungen wären diese Anträge erledigt: 70/I/2019, 84/II/2019, 85/II/2019,86/II/2019, 87/II/2019, 88/II/2019, 89/II/2019, 90/II/2019, 92/II/2019, 93/II/2019

 

 

Die Antragskommission empfiehlt die folgende Fassung zur Annahme, bis auf den Teil, in dem zwei Varianten nebeneinandergestellt werden. Diese beiden Varianten werden dem Parteitag ohne Votum zur Diskussion vorgelegt.

 

 

Im Dialog mit der Initiative „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ gemeinsam gegen den Mietenwahnsinn

 

Unser Ziel: Mehr Wohnungen in öffentlicher Hand

 

Berlin leidet aktuell unter starkem Wohnungsmangel. Der Wohnungsmarkt ist seit Jahren in zunehmendem Maße angespannt. Die Berliner*innen sind derzeit kaum in der Lage, sich am Markt hinreichend mit bezahlbarem Wohnraum zu versorgen. Die Folge davon sind explodierende Mieten und Bodenpreise. Hohe Renditeerwartungen bestimmter Wohnungsunternehmen treiben die Mietpreise immer weiter nach oben.

 

Der Wohnungsknappheit – insbesondere im unteren und mittleren Preissegment – muss mit erhöhtem Wohnungsbau und Kauf durch die öffentliche Hand begegnet werden. Bis Wohnraum in ausreichendem Maße zur Verfügung steht, sind Regulierungen des gestörten Wohnungsmarktes, etwa mit dem Mietendeckel, unerlässlich.

 

Es ist das Ziel der Berliner SPD, den Anteil an Wohnungen in öffentlicher Hand deutlich zu erhöhen, um die Mietensteigerungen zu begrenzen – wie es auch das Ziel der Initiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ ist.

 

Die Initiative und die Unterzeichner*innen des Volksbegehrens haben einen wichtigen Impuls in die politische Debatte gegeben. Der Erfolg der Unterschriftensammlung ist für uns als SPD Berlin der klare Beleg dafür, dass das Mietenthema mit allen gesetzlich möglichen und mietenpolitisch effektiven Mitteln angegangen werden muss. Dank der Initiative ist der Druck auf die Wohnungswirtschaft gestiegen und das gesellschaftliche Klima für stärkere politische Eingriffe am Wohnungsmarkt gewachsen. Wir stimmen auch mit der Initiative darin überein, dass die Entwicklungen auf dem Berliner Wohnungsmarkt nicht weiter hingenommen werden können.

 

Wir erkennen das zivilgesellschaftliche Engagement der Volksinitiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ an, mehr Grund und Boden in öffentliche Hand zu bringen.

 

Wie das Beispiel der Stadt Wien zeigt, ist ein starker öffentlicher Wohnungssektor wichtig für die Stabilität der Mieten.

 

Vergesellschaftung ist im Grundgesetz vorgesehen

 

Vergesellschaftung ist im Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen (Artikel 15 des Grundgesetzes) und spiegelt den Gedanken wider, dass die private Eigentumsgarantie nicht absolut ist, sondern zum Wohle der Allgemeinheit eingeschränkt werden kann.

 

Die Möglichkeit der Vergesellschaftung von Grund und Boden ist aus guten Gründen von der SPD bei der Schaffung des Grundgesetzes durchgesetzt worden, ausreichender Wohnraum ist für uns ein Grundrecht.

 

Wir lehnen es ab, auf Kosten der Mieter*innen auf hohe Renditen zu spekulieren. Dafür müssen wir auf Bundes- und auf Landesebene verschiedene Instrumente einsetzen, um den aus dem Ruder gelaufenen Wohnungsmarkt wieder ins Lot zu bringen.

 

Wir wollen die Vorschläge diskutieren und zudem das Gespräch mit Vertreter*innen des Volksbegehrens suchen.

Unser Ziel bleibt, möglichst viele Mietwohnungen dem ungezügelten Wohnungsmarkt zu entziehen.

 

Diese beiden Varianten werden dem Parteitag ohne Votum zur Diskussion vorgelegt:

 

Fassung 1

 

Vier Punkte sprechen aus Sicht der SPD Berlin gegen das Gesetzesanliegen der Initiative.

 

Der Wirkungsbereich des Gesetzesvorhabens ist begrenzt. Bei einer Enteignung von großen Wohnungsunternehmen könnten von den fast 1,7 Millionen Mietwohnungen in Berlin nur ca. 240.000 Wohnungen in kommunales Eigentum gebracht werden. Damit blieben neben den landeseigenen und Genossenschaftswohnungen immer noch fast 1 Million Wohnungen in privater Hand. Für diese Wohnungen wird der Anlagedruck privater Vermieter sogar noch zunehmen und der Wohnungsmarkt gespalten. Für die Mehrheit der Berliner*innen in Mietwohnungen würde sich also nach der Vergesellschaftung nichts ändern. Wir machen uns auch Gedanken zu der Frage, wie die Berliner Verwaltung kurz- und mittelfristig in die Lage versetzt werden soll, hunderttausende zusätzliche Wohnungen zu verwalten und instand zu halten, ohne die Mieten zu erhöhen.

 

Von der Möglichkeit der Vergesellschaftung ist bislang noch nie Gebrauch gemacht worden. Das Instrument und seine Voraussetzungen sind verfassungsrechtlich umstritten. Die Vergesellschaftung von Wohneigentum stellt den schärfsten Eingriff in die grundrechtlich geschützte Eigentumsfreiheit dar. Daher ist zu erwarten, dass ein Gesetz über die Vergesellschaftung zu einem langjährigen und schwierigen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht mit ungewissem Ausgang führt.

 

Keine Vergesellschaftung ohne Entschädigung. Es ist ungewiss, wie hoch die angemessenen Entschädigungen für die vergesellschafteten Wohnungen in Zeiten eines überhitzten Bodenmarktes sein werden. Wir halten es für sozial nicht gerecht, bestimmten Wohnungsinhabern hohe Entschädigungen aufgrund von Bodenspekulationen aus öffentlichen Mitteln zu zahlen, die wir dringend für Investitionen und den Neubau brauchen. Die Entschädigung kann sogar dazu führen, dass die Vergesellschaftung als Exit-Strategie von Investment-Unternehmen bewusst einkalkuliert wird und mit Steuergeldern neue Renditemodelle finanziert werden. Statt am Markt mit Entschädigungen mitzuspielen, sollte der Staat besser die Regeln ändern.

 

Dem Instrument fehlt die Zielgenauigkeit. Das Vorgehen der Initiative, Unternehmen allein nach der Größe des Wohnungsbestands zu enteignen, differenziert nicht zwischen guten und schlechten Vermieter*innen. Es gibt Eigentümer*innen einzelner oder weniger Mietshäuser, die sich mieterfeindlich und sogar gesetzeswidrig verhalten. Andererseits gibt es Großvermieter, die sozial agieren. Der Effekt, der mit der Enteignung erreicht werden kann, steht in einem Missverhältnis zu den Kosten und Risiken.

 

Die Vergesellschaftung der Bestände von großen Wohnungsunternehmen in Berlin halten wir deshalb gegenwärtig nicht für zielführend.

 

Stattdessen wollen wir den Mietwohnungsmarkt zum Beispiel im Bestand durch mietenpolitische Maßnahmen wie einen sicheren Mietendeckel, kommunalen Zukauf von Beständen und Neubau von bezahlbaren Wohnungen entspannen. Der Spekulation mit Wohnungs-Leerstand und unbebautem Grund werden wir durch die Durchsetzung des Zweckentfremdungsverbotes und eine schnelle Einführung der Grundsteuer C entgegenwirken.

 

Klar ist aber auch, Enteignungen finden schon heute statt. Als letztes Instrument in einer Kette von Maßnahmen zur Regulierung von ungezügelten Rendite- und Spekulationsbestrebungen im Wohnen- und Baugrundbereich bleiben sie deswegen ein gesetzlich vorhandenes Mittel.

Fassung 2

 

Bei der Ausgestaltung der Gesetzesinitiative ist insbesondere auf folgende Aspekte zu achten:

 

Wir lehnen es ab, so zu tun, als ob wir die Stadt auf einmal zurückkaufen können.

 

Stattdessen setzen wir auf eine schrittweise und in der Berliner Investitionsplanung abbildbare Strategie. Transparenz gegenüber der Stadtgesellschaft bezüglich des tatsächlich möglichen Umfangs der vergesellschafteten Wohnungen ist dabei ein wichtiges Element. Die mittelfristige Planung orientiert sich dabei an dem Ziel, die Vorherrschaft des gemeinwohlorientierten Wohnens auf dem Wohnungsmarkt wiederherzustellen.

 

Wir streben dabei einen mindestens zu 50 % gemeinwohlorientierten Wohnungsmarkt an.

Die Vergesellschaftung setzt selbstverständlich auch eine Entschädigung des bisherigen Eigentümers voraus. Im Rahmen der Gesetzeserarbeitung sollen klare Rahmen geschaffen werden, die die Höhe der Entschädigung definieren.

 

Diese Rahmenbedingungen orientieren sich dabei nicht an dem aktuell überhitzten Wohnungsmarkt und sind niedriger anzusetzen.

 

Die Vorbereitung der gesetzlichen Ausgestaltung soll sich u. a. auch mit der Ausgestaltung der Kriterien für potentielle Vergesellschaftung befassen. Die Grenze 3000 erscheint uns dabei willkürlich. In der Debatte sind rein quantitative gegenüber möglichen qualitativen Kriterien abzuwägen. Qualitative Kriterien können z. B. der nachgewiesene systematische Verzicht auf Instandhaltung der Gebäude sein, spekulativer Umgang mit Wohnraum (bspw. Leerstand) o. ä. sein.

 

Gemeinsam mit unseren Koalitionspartnern werden wir daher an die Initiative “Deutsche Wohnen & Co. enteignen” herantreten, um die gesetzliche Ausgestaltung vorzubereiten. Damit erkennen wir an, dass die Initiative unser Partner auf dem Weg zu einem besser regulierten Wohnungsmarkt ist.

 

Durch das Gesetz soll eine ergänzende Möglichkeit geschaffen werden, um den Anteil der öffentlich verwalteten Wohnungen zu erhöhen und damit die Steuerungsmöglichkeiten des Staates auf dem Wohnungsmarkt zu maximieren und damit Spekulationsspielräume zu minimieren. Das Einsetzen des Mittels der Vergesellschaftung ist damit als ein möglicher Baustein des miet- und wohnungsbaupolitischen Instrumentenkastens zu verstehen, der dem bestehenden Konzept “Bauen, kaufen, deckeln” auch Vergesellschaften hinzufügt.

 

Die Antragskommission empfiehlt die folgende Fassung zur Annahme:

Bauen, Kaufen, Deckeln

 

Unabhängig von dieser Perspektive wirken wir mit unserer Initiative „Bauen, Kaufen, Deckeln“ steuernd auf den Wohnungsmarkt ein, um mehr und finanzierbaren Wohnraum für alle zu schaffen und zu sichern.

 

Diese Strategie umfasst für uns folgende Elemente:

 

1. Bauen

Bei einem Bevölkerungswachstum von 30.000 bis 40.000 Einwohner/innen pro Jahr wird sich die Marktlage verschärfen, wenn nicht mindestens 15.000 bis 20.000 zusätzliche Wohnungen pro Jahr gebaut werden. Der Neubau hat eine zentrale Bedeutung, denn auch die anderen notwendigen Maßnahmen werden den Nachfrageüberhang nicht beseitigen können. Verzerrungen wie überhöhte Abstandszahlungen und illegale Prämien sind dann trotz preisregulierender Eingriffe die Folge.

Neubau findet nicht immer Akzeptanz bei den Betroffenen, aber wir brauchen mehr Druck für die Schließung von Baulücken und den Ausbau von Dachgeschossen sowie die Aufstockung von Bestandsbauten mehr und schnellere Zurverfügungstellung von landeseigenen Grundstücken insbesondere über Erbbaurechte

 

2. Kaufen

Die Bildung der Marktmieten (Mietspiegel) und die Zahl der Wohnungen, für die das Land Berlin Belegungsrechte hat oder für die im geschützten Marktsegment Wohnungen zur Verfügung gestellt werden, hängt von der Zahl der landeseigenen Wohnungen ab. Der Anteil der Wohnungen in landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften war auf nur 16,4 % zurückgegangen. Um mehr Einfluss auf den Markt ausüben zu können, ist eine Erhöhung dieser Quote nötig und wurde in den vergangenen Jahren bereits vorangetrieben. Neben Wohnungsneubau kommt dabei dem Kauf von Wohnungen eine zentrale Bedeutung zu.

 

  • Vorkaufsrecht konsequenter anwenden, wenn es in der Abwägung sinnvoll erscheint
  • Kauf von Wohnungen und kleineren Portfolios nach gezielten Kriterien
  • Unterstützung der Mieterinnen und Mieter beim Erwerb ihrer eigenen Wohnung durch die IBB im Falle eines Verkaufs (wie in der Karl-Marx-Allee)

 

3. Deckeln

Die SPD hat den Mietendeckel als landespolitische gesetzliche Maßnahme initiiert. Selten wurde ein Beschluss eines Landesparteitages so schnell in konkrete Senatspolitik umgesetzt. Bei der Umsetzung des Mietendeckels sind noch viele schwierige Detailfragen zu klären. Aber wir halten daran fest, dass ein auf 5 Jahre befristeter Mietendeckel entscheidend dazu beiträgt, Zeit zu gewinnen, bis entweder genügend Neubau realisiert wird oder der Markt sich aus anderen Gründen wieder beruhigt. Der Mietendeckel wirkt unmittelbar und hat bessere Aussichten, konkrete Hilfe für Betroffene zu entfalten als eine juristisch ungewisse und teure Vergesellschaftung („Enteignung“) von Wohnraum.

 

Wir müssen deutlich mehr bezahlbare Wohnungen durch den Staat und gemeinwohl-orientierte Bauträger schaffen. Die dafür notwendigen Kapazitäten bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sind umgehend zu schaffen. Gleichzeitig sollen geeignete Grundstücke und Wohnungsbestände, die sich in privater Hand befinden, (re)kommunalisiert werden.

 

Dafür brauchen wir eine gemeinsame Anstrengung der Politik, der Bau- und Wohnungswirtschaft und der Zivilgesellschaft.

Empfehlung der Antragskommission:
Die Antragskommission empfiehlt die folgende Fassung zur Annahme, bis auf den Teil, in dem zwei Varianten nebeneinandergestellt werden. Diese beiden Varianten werden dem Parteitag ohne Votum zur Diskussion vorgelegt.
Beschluss: Annahme in Fassung des Parteitages
Text des Beschlusses:

Unser Ziel: Mehr Wohnungen in öffentlicher Hand

Berlin leidet aktuell unter starkem Wohnungsmangel. Der Wohnungsmarkt ist seit Jahren in zunehmendem Maße angespannt. Die Berliner*innen sind derzeit kaum in der Lage, sich am Markt hinreichend mit bezahlbarem Wohnraum zu versorgen. Die Folge davon sind explodierende Mieten und Bodenpreise. Hohe Renditeerwartungen bestimmter Wohnungsunternehmen treiben die Mietpreise immer weiter nach oben.

Der Wohnungsknappheit – insbesondere im unteren und mittleren Preissegment – muss mit erhöhtem Wohnungsbau und Kauf durch die öffentliche Hand begegnet werden. Bis Wohnraum in ausreichendem Maße zur Verfügung steht, sind Regulierungen des gestörten Wohnungsmarktes, etwa mit dem Mietendeckel, unerlässlich.

 

Es ist das Ziel der Berliner SPD, den Anteil an Wohnungen in öffentlicher Hand deutlich zu erhöhen, um die Mietensteigerungen zu begrenzen – wie es auch das Ziel der Initiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ ist.

 

Die Initiative und die Unterzeichner*innen des Volksbegehrens haben einen wichtigen Impuls in die politische Debatte gegeben. Der Erfolg der Unterschriftensammlung ist für uns als SPD Berlin der klare Beleg dafür, dass das Mietenthema mit allen gesetzlich möglichen und mietenpolitisch effektiven Mitteln angegangen werden muss. Dank der Initiative ist der Druck auf die Wohnungswirtschaft gestiegen und das gesellschaftliche Klima für stärkere politische Eingriffe am Wohnungsmarkt gewachsen. Wir stimmen auch mit der Initiative darin überein, dass die Entwicklungen auf dem Berliner Wohnungsmarkt nicht weiter hingenommen werden können.

 

Wir erkennen das zivilgesellschaftliche Engagement der Volksinitiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ an, mehr Grund und Boden in öffentliche Hand zu bringen.

Wie das Beispiel der Stadt Wien zeigt, ist ein starker öffentlicher Wohnungssektor wichtig für die Stabilität der Mieten.

 

Vergesellschaftung ist im Grundgesetz vorgesehen

Vergesellschaftung ist im Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen (Artikel 15 des Grundgesetzes) und spiegelt den Gedanken wider, dass die private Eigentumsgarantie nicht absolut ist, sondern zum Wohle der Allgemeinheit eingeschränkt werden kann.

Die Möglichkeit der Vergesellschaftung von Grund und Boden ist aus guten Gründen von der SPD bei der Schaffung des Grundgesetzes durchgesetzt worden, ausreichender Wohnraum ist für uns ein Grundrecht.

Wir lehnen es ab, auf Kosten der Mieter*innen auf hohe Renditen zu spekulieren. Dafür müssen wir auf Bundes- und auf Landesebene verschiedene Instrumente einsetzen, um den aus dem Ruder gelaufenen Wohnungsmarkt wieder ins Lot zu bringen.

Wir wollen die Vorschläge diskutieren und zudem das Gespräch mit Vertreter*innen des Volksbegehrens suchen.
Unser Ziel bleibt, möglichst viele Mietwohnungen dem ungezügelten Wohnungsmarkt zu entziehen.

Vier Punkte sprechen aus Sicht der SPD Berlin gegen das Gesetzesanliegen der Initiative.

 

Der Wirkungsbereich des Gesetzesvorhabens ist begrenzt. Bei einer Enteignung von großen Wohnungsunternehmen könnten von den fast 1,7 Millionen Mietwohnungen in Berlin nur ca. 240.000 Wohnungen in kommunales Eigentum gebracht werden. Damit blieben neben den landeseigenen und Genossenschaftswohnungen immer noch fast 1 Million Wohnungen in privater Hand. Für diese Wohnungen wird der Anlagedruck privater Vermieter sogar noch zunehmen und der Wohnungsmarkt gespalten. Für die Mehrheit der Berliner*innen in Mietwohnungen würde sich also nach der Vergesellschaftung nichts ändern. Wir machen uns auch Gedanken zu der Frage, wie die Berliner Verwaltung kurz- und mittelfristig in die Lage versetzt werden soll, hunderttausende zusätzliche Wohnungen zu verwalten und instand zu halten, ohne die Mieten zu erhöhen.

 

Von der Möglichkeit der Vergesellschaftung ist bislang noch nie Gebrauch gemacht worden. Das Instrument und seine Voraussetzungen sind verfassungsrechtlich umstritten. Die Vergesellschaftung von Wohneigentum stellt den schärfsten Eingriff in die grundrechtlich geschützte Eigentumsfreiheit dar. Daher ist zu erwarten, dass ein Gesetz über die Vergesellschaftung zu einem langjährigen und schwierigen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht mit ungewissem Ausgang führt.

 

Keine Vergesellschaftung ohne Entschädigung. Es ist ungewiss, wie hoch die angemessenen Entschädigungen für die vergesellschafteten Wohnungen in Zeiten eines überhitzten Bodenmarktes sein werden. Wir halten es für sozial nicht gerecht, bestimmten Wohnungsinhabern hohe Entschädigungen aufgrund von Bodenspekulationen aus öffentlichen Mitteln zu zahlen, die wir dringend für Investitionen und den Neubau brauchen. Die Entschädigung kann sogar dazu führen, dass die Vergesellschaftung als Exit-Strategie von Investment-Unternehmen bewusst einkalkuliert wird und mit Steuergeldern neue Renditemodelle finanziert werden. Statt am Markt mit Entschädigungen mitzuspielen, sollte der Staat besser die Regeln ändern.

 

Dem Instrument fehlt die Zielgenauigkeit. Das Vorgehen der Initiative, Unternehmen allein nach der Größe des Wohnungsbestands zu enteignen, differenziert nicht zwischen guten und schlechten Vermieter*innen. Es gibt Eigentümer*innen einzelner oder weniger Mietshäuser, die sich mieterfeindlich und sogar gesetzeswidrig verhalten. Andererseits gibt es Großvermieter, die sozial agieren. Der Effekt, der mit der Enteignung erreicht werden kann, steht in einem Missverhältnis zu den Kosten und Risiken.

Die Vergesellschaftung der Bestände von großen Wohnungsunternehmen in Berlin halten wir deshalb gegenwärtig nicht für zielführend.

 

Stattdessen wollen wir den Mietwohnungsmarkt zum Beispiel im Bestand durch mietenpolitische Maßnahmen wie einen sicheren Mietendeckel, kommunalen Zukauf von Beständen und Neubau von bezahlbaren Wohnungen entspannen. Der Spekulation mit Wohnungs-Leerstand und unbebautem Grund werden wir durch die Durchsetzung des Zweckentfremdungsverbotes und eine schnelle Einführung der Grundsteuer C entgegenwirken.

 

Klar ist aber auch, Enteignungen finden schon heute statt. Als letztes Instrument in einer Kette von Maßnahmen zur Regulierung von ungezügelten Rendite- und Spekulationsbestrebungen im Wohnen- und Baugrundbereich bleiben sie deswegen ein gesetzlich vorhandenes Mittel.

 

Bauen, Kaufen, Deckeln

Unabhängig von dieser Perspektive wirken wir mit unserer Initiative „Bauen, Kaufen, Deckeln“ steuernd auf den Wohnungsmarkt ein, um mehr und finanzierbaren Wohnraum für alle zu schaffen und zu sichern.

 

Diese Strategie umfasst für uns folgende Elemente:

 

1. Bauen
Bei einem Bevölkerungswachstum von 30.000 bis 40.000 Einwohner/innen pro Jahr wird sich die Marktlage verschärfen, wenn nicht mindestens 15.000 bis 20.000 zusätzliche Wohnungen pro Jahr gebaut werden. Der Neubau hat eine zentrale Bedeutung, denn auch die anderen notwendigen Maßnahmen werden den Nachfrageüberhang nicht beseitigen können. Verzerrungen wie überhöhte Abstandszahlungen und illegale Prämien sind dann trotz preisregulierender Eingriffe die Folge.
Neubau findet nicht immer Akzeptanz bei den Betroffenen, aber wir brauchen mehr Druck für die Schließung von Baulücken und den Ausbau von Dachgeschossen sowie die Aufstockung von Bestandsbauten mehr und schnellere Zurverfügungstellung von landeseigenen Grundstücken insbesondere über Erbbaurechte

 

2. Kaufen
Die Bildung der Marktmieten (Mietspiegel) und die Zahl der Wohnungen, für die das Land Berlin Belegungsrechte hat oder für die im geschützten Marktsegment Wohnungen zur Verfügung gestellt werden, hängt von der Zahl der landeseigenen Wohnungen ab. Der Anteil der Wohnungen in landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften war auf nur 16,4 % zurückgegangen. Um mehr Einfluss auf den Markt ausüben zu können, ist eine Erhöhung dieser Quote nötig und wurde in den vergangenen Jahren bereits vorangetrieben. Neben Wohnungsneubau kommt dabei dem Kauf von Wohnungen eine zentrale Bedeutung zu.

Vorkaufsrecht konsequenter anwenden, wenn es in der Abwägung sinnvoll erscheint
Kauf von Wohnungen und kleineren Portfolios nach gezielten Kriterien
Unterstützung der Mieterinnen und Mieter beim Erwerb ihrer eigenen Wohnung durch die IBB im Falle eines Verkaufs (wie in der Karl-Marx-Allee)

 

3. Deckeln
Die SPD hat den Mietendeckel als landespolitische gesetzliche Maßnahme initiiert. Selten wurde ein Beschluss eines Landesparteitages so schnell in konkrete Senatspolitik umgesetzt. Bei der Umsetzung des Mietendeckels sind noch viele schwierige Detailfragen zu klären. Aber wir halten daran fest, dass ein auf 5 Jahre befristeter Mietendeckel entscheidend dazu beiträgt, Zeit zu gewinnen, bis entweder genügend Neubau realisiert wird oder der Markt sich aus anderen Gründen wieder beruhigt. Der Mietendeckel wirkt unmittelbar und hat bessere Aussichten, konkrete Hilfe für Betroffene zu entfalten als eine juristisch ungewisse und teure Vergesellschaftung („Enteignung“) von Wohnraum.

Wir müssen deutlich mehr bezahlbare Wohnungen durch den Staat und gemeinwohl-orientierte Bauträger schaffen. Die dafür notwendigen Kapazitäten bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sind umgehend zu schaffen. Gleichzeitig sollen geeignete Grundstücke und Wohnungsbestände, die sich in privater Hand befinden, (re)kommunalisiert werden.

Dafür brauchen wir eine gemeinsame Anstrengung der Politik, der Bau- und Wohnungswirtschaft und der Zivilgesellschaft.

Beschluss-PDF: