Antrag 93/II/2014 Bürgerbeteiligung neu gestalten

Status:
Überweisung

Der SPD-Landesvorstand und der Vorstand der AGH-Fraktion soll einen Arbeitsgruppe einrichten, die den Entwurf eines Landesdemokratiegesetzes erarbeitet. Bei Beratungen sind fachkundige Personen und Gruppen einzubeziehen. Dieser Entwurf soll u. a. folgende Eckpunkte enthalten:

 

1. Volksbegehren und Volksentscheide sind begrüßenswerte Instrumente, um die Bürgerinnen und Bürger Berlins direkter an der politischen Gestaltung unserer Stadt zu beteiligen. Daher müssen sie gestärkt und weiterentwickelt werden. Zukünftige Gesetzentwürfe, die den Bürgerinnen und Bürgern zur Entscheidung vorgelegt werden sollen, müssen allerdings nicht nur eine Regelung für den Hauptgegenstand des Volksbegehrens bzw. des Volksentscheids enthalten, sondern auch Regelungen für alle damit zusammenhängen Aspekte. Das Abstimmungsgesetz ist entsprechend zu ändern.

 

2. Den Bürgerhaushalt, wie er im Bezirk Lichtenberg modellhaft entwickelt worden ist, soll gesetzlich auf Landes- und Bezirksebene eingeführt werden. Für eine entsprechende Personalausstattung in der Senats- und den Bezirksverwaltungen ist zu sorgen.

 

3. Bei baulichen Vorhaben, die eine Fläche von zwei Hektar und mehr umspannen oder von gesamtstädtischer Bedeutung sind, müssen die Bürgerinnen und Bürger an der Planung und Entwicklung des Vorhabens mitwirken. Dabei soll der Bauherr in einem frühen Stadium, noch vor der Planfeststellung, verpflichtet werden, die Öffentlichkeit über den bestehenden Plan und die Mittel seiner Umsetzung zu informieren. Die Unterrichtung muss transparent, anschaulich (Visualisierungen, Internet etc.) und ergebnisoffen sein und auch über die voraussichtlichen Auswirkungen und insbesondere über Planungsalternativen unterrichten.

 

Anschließend sind Werkstattverfahren oder ähnliche Beteiligungsinstrumente durchzuführen. Mit der Koordinierung der Bürgerbeteiligung werden die zuständigen bezirklichen Bauämter in Abstimmung mit den Bezirksverordnetenversammlungen beauftragt. Alle einschlägigen Gesetze müssen entsprechend angepasst werden

4. Das Berliner Seniorenmitwirkungsgesetz soll wie nachfolgend beschrieben geändert werden:

 

  • Die Seniorenvertretungen müssen zum gleichen Zeitpunkt wie das Abgeordnetenhaus und die Bezirksverordnetenversammlungen gewählt werden. Auch bei der Wahl der Seniorenvertretungen muss Briefwahl möglich sein. Die Wahlen zu den Seniorenvertretungen bedürfen danach nicht mehr der Berufungen. Nachrücken erfolgt nach erzielten Stimmergebnissen.
  • Der Landesseniorenbeirat und die Landesseniorenvertretung sind zusammenzuführen.
  • Die Seniorenvertretungen sind durch das Land finanziell auskömmlich auszustatten. Die Mitglieder der Seniorenvertretungen haben in der gleichen Höhe wie die Bezirksverordneten Sitzungsgelder zu erhalten, die Vorsitzenden der Seniorenvertretungen sind so wie die Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlung zu entschädigen. Darüber hinaus ist den Seniorenvertretungen ein ausreichender Betrag für die Einrichtung und Unterhaltung von Büros und für die Beschäftigung einer hauptamtlichen Kraft (20 Stunden) zur Verfügung zu stellen.
  • Das Landesseniorenmitwirkungsgesetz muss regeln, dass jeweils eine Vertreterin / ein Vertreter in den Ausschüssen der Bezirksverordnetenversammlungen stimmberechtigtes Mitglied ist. Seniorenvertretungen und ihre Mitglieder sollen antragsberechtigt auf allen Ebenen sein, in den Bezirksverordnetenversammlungen und dem Abgeordnetenhaus sowie in deren Ausschüssen.
  • Alle Angelegenheiten des Landes Berlin haben im Seniorenmitwirkungsgesetz als seniorenrelevant bezeichnet werden, mithin als entsprechend mitwirkungspflichtig gekennzeichnet werden. Es ist wichtig, dass Seniorinnen und Senioren in allen Sachen verbindlich Gehör finden müssen.

 

5. Kinder und Jugendparlamente

Durch die Einrichtung von Kinder- und Jugendparlamenten (KJP) in allen Berliner Bezirken soll jungen Menschen von die Möglichkeit gegeben werden, an der demokratischen Willensbildung und der Ausgestaltung von Entscheidungsfindungsprozessen auf kommunaler Ebene teilnehmen zu können. Damit soll den jungen Menschen ein Verständnis für die politische Arbeit vermittelt und eine Interessensvertretung für die Anliegen dieser Altersgruppe geschaffen werden. Dies fördert im weiteren Lebensverlauf das bürgerschaftliche Engagement. Nachrücken erfolgt nach erzielten Stimmergebnissen.

 

  • Im KJP sollen Vertreter aller bezirklichen Einrichtungen und Schulen vertreten sein.
  • Je eine Vertreterin / ein Vertreter des KJP kann an bezirklichen Ausschüssen, in denen auch Bürgerdeputierte vertreten sind, teilnehmen. Die Vertreter des KJP erhalten Rede-, Antrags- und Auskunftsrecht in diesen Ausschüssen.
  • Anträge, die durch das KJP beschlossen wurden, werden durch das BVV-Büro an die zuständigen Ausschüsse weitergeleitet und genauso behandelt, wie Anträge durch Bezirksverordnete. Anschließend werden die Anträge in der BVV beraten und zur Abstimmung gebracht. Das KJP erhält zu dem eingebrachten Antrag ein Rederecht.
  • Eine Koordinatorin / ein Koordinator für das KJP ist im jeweiligen Bezirksamt zu schaffen. Die Koordinatorin / der Koordinator hat sich nicht in die inhaltlichen Debatten des jeweiligen KJP einzumischen. Auch sonstige politische Beeinflussung von Erwachsenen auf die KJPe ist zu untersagen.
  • Bisher gesammelte Erfahrungen, wie z. B. im Bezirk Tempelhof-Schöneberg, sollen Berücksichtigung finden.

 

 

6. Integrationsbeiräte

Solange Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürgern das Wahlrecht auf kommunaler Ebene versagt bleibt, sollen Integrationsbeiräte als Instrumente der Beteiligung am politischen Willensbildungsprozess für Nichtdeutsche in den Bezirken gestärkt werden. Künftig sollen den Integrationsbeiräten nur noch Nichtdeutsche als Mitglieder angehören. Die Integrationsbeiräte sollen aus Wahlen unter allen Nichtdeutschen eines Bezirks hervorgehen, die zum gleichen Zeitpunkt wie das Abgeordnetenhaus und die Bezirksverordnetenversammlungen stattfinden. Auch bei der Wahl der Integrationsbeiräte muss Briefwahl möglich sein. Die gewählten Mitglieder der Integrationsbeiräte bedürfen danach keiner Berufung.

 

Jeweils eine Vertreterin / ein Vertreter der Integrationsbeiräte ist in den Ausschüssen der Bezirksverordnetenversammlungen stimmberechtigtes Mitglied. Integrationsausschüsse und ihre Mitglieder sollen in den Bezirksverordnetenversammlungen und in deren Ausschüssen antragsberechtigt sein. Die Integrationsbeiräte haben ein Auskunftsrecht gegenüber den bezirklichen Verwaltungen.

 

Die bezirklichen Integrationsbeiräte wählen aus ihrer Mitte den Landesintegrationsbeirat.

 

Die Integrationsbeiräte sind mit allen migrations- und integrationspolitischen Angelegenheiten zu befassen.

 

Die Integrationsausschüsse der Bezirksverordnetenversammlungen sind abzuschaffen. Ihre Aufgaben nehmen künftig die Integrationsbeiräte wahr.

 

Das Landespartizipationsgesetz ist entsprechend zu ändern.

 

 

7. Das Land und die Bezirke müssen die gemeinsame Plattform berlin.de so weiterentwickeln, um für Politik und Verwaltung eine größere Transparenz zu schaffen und dass über diesen Weg Bürgerbeteiligungsmöglichkeiten bereitgestellt werden. In einem Gesetz muss festgelegt werden, welche Informationen auf der Plattform berlin.de durch die Verwaltung öffentlich zugänglich gemacht werden müssen und welche Bürgerbeteiligungsmöglichkeiten über das Internet zur Verfügung gestellt werden.

 

 

8. Ein jährlicher Bericht über die durchgeführten Maßnahmen zur Bürgerbeteiligung muss dem Abgeordnetenhaus vorgelegt werden.

 

Empfehlung der Antragskommission:
Überweisung an AH-Fraktion (Konsens)
Stellungnahme(n):
  Stellungsnahme der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin Die Einfügung der Verpflichtung, zukünftige Gesetzentwürfe, die den Bürgerinnen und Bürgern zur Entscheidung vorgelegt werden sollen, müssten nicht nur eine Regelung für den Hauptgegenstand des Volksbegehrens bzw. Volksentscheids enthalten, sondern auch Regelungen für alle damit zusammenhängenden Aspekte, wäre wohl in der Regel eine Erschwerung für die Initiatoren von Volksbegehren. Die erste Schwierigkeit besteht in der Abgrenzung, was noch mit zu regeln wäre und was nicht. Wenn die mangelnde Berücksichtigung von Folgewirkungen des Hauptgegenstandes die Unzulässigkeit des Volksbegehrens zur Folge haben sollte, bedürfte eine solche Regelung wahrscheinlich nicht nur einer Änderung des Abstimmungsgesetzes, sondern auch einer Änderung der Verfassung von Berlin. Dies wiederum wäre auch von einem Volksentscheid abhängig.   Hinzu kommt, dass in der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und CDU wurde vereinbart wurde, die Regelungen zur direkten Demokratie nicht zu ändern. siehe auch 90/II/2014