Antrag 99/II/2014 Verbesserung der Situation von AsylbewerberInnen und Geduldeten in Berlin

Um die Situation der Asylbewerber*innen und Geduldeten in Berlin schnell zu verbessern, fordern wir den Senat auf, unverzüglich Anpassungen in folgenden Punkten vorzunehmen bzw. anzustoßen:

1. Die Residenzpflicht

  • Geduldete, die in Berlin wohnen, dürfen sich ab sofort wie Asylbewerber*innen frei in Berlin und Brandenburg bewegen.
  • Asylbewerber*innen ist bei Beginn ihres Asylverfahrens eine Dauerreiseerlaubnis zu erteilen. Dies darf für die Asylbewerber*innen nicht mit Kosten verbunden sein. Die Regelung behält auch für Geduldete ihre Gültigkeit.
  • Gleichzeitig muss das Land Berlin auf Kooperationen hinsichtlich der Residenzpflicht mit anderen Bundesländern hinwirken. Vorbild ist hier die Kooperation zwischen Berlin und Brandenburg.
  • Nur um eine möglichst schnelle Bearbeitung des Asylantrags zu sichern und die Kommunikation mit den Antragssteller*innen in den ersten Wochen nach Ankunft zu vereinfachen, darf es in diesem Zeitraum Einschränkungen für die Asylbewerber*innen geben. Modelle wie in Österreich oder in Slowenien müssen bei der Umsetzung als Vorbild dienen.
  • Das Land Berlin hat im Bund auf eine bundesweite Abschaffung der Residenzpflicht hinzuwirken.

 

2. Wohnsituation der Asylbewerber*innen

a) Unterbringung in Heimen

» Asylbewerber*innen und Geduldeten müssen Leistungen nach Sozialgesetzbuch XII (SGB XII) zustehen. Bei Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft können die im Leistungskatalog veranschlagten Ausgaben abgezogen werden, sofern diese durch die Unterbringung in dieser Unterkunft gedeckt werden. Außer bei Strom, Warmwasser, Wohnungsinstandhaltung, Möbeln, Apparaten und Haushaltsgeräten dürfen diese Leistungen nicht als Sachleistungen erbracht werden.

 

» Voraussetzung für die Auftragsvergabe an einen Träger. Dies gilt auch für gemäß des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) als „kurzfristige Ausweichkapazitäten ohne Vertrag“ bezeichnete Unterkünfte. Folgende Kriterien müssen erfüllt sein

  • eine Wohnfläche von mindestens 10m2 pro Person,
  • abschließbare individuelle Wohneinheiten mit eigenem Sanitär- und Küchenbereich,
  • Belegung pro Zimmer nicht mehr als zwei Personen
  • Gemeinschaftsbereiche, die über PCs mit kostenfreiem Internetzugang, Drucker und Kopierer verfügen,
  • eine der Bewohner*innenzahl angemessene Ausstattung mit Waschmaschinen und Trocknern
  • fußläufige Anbindung an den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), eine stadträumliche Lage, Kinderspielflächen,
  • Kinderbetreuung
  • Feuermeldeanlagen und unbedingtes Einhalten aller Vorschriften zum baulichen Brandschutz,
  • Gebäudestandorte ausschließlich in Wohn- und Mischgebieten,
  • Behelfsbauten sind nicht zulässig.

 

» Die Einhaltung dieser Standards wird regelmäßig, mindestens jährlich, und unangemeldet durch ein zu schaffendes, unabhängig vom LaGeSo agierendes und vom Land Berlin voll ausfinanziertes Qualitätsmanagement kontrolliert. Geeignetes Personal ist in für diese Aufgabe ausreichender Zahl abzustellen. Die Kompetenz für das Qualitätsmanagement ist auf der Bezirksebene angesiedelt. Die Ergebnisse der Kontrollen werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

 

b) Unterbringung in regulären Wohnungen

» Der Aufenthalt in einem Heim ist in jedem Fall zeitlich zu begrenzen. Die schnellstmögliche Unterbringung von Asylbewerber*innen und Geduldeten in reguläre Wohnungen muss gewährleistet werden.

 

Wir fordern

  • Mietkosten müssen entsprechend den Regelungen nach SGB XII übernommen werden.
  • Für die Erteilung eines Wohnberechtigungsscheins (WBS) müssen für Asylbewerber*innen und Geduldete die gleichen Kriterien gelten wie für andere Berechtigte.
  • Die Kontingente für Asylbewerber*innen und Geduldete bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften müssen als kurzfristige Maßnahme erhöht werden.
  • Der Senat muss einen öffentlichen Appell an alle Vermieter*innen richten, an Asylbewerber*innen zu vermieten.
  • Asylbewerber*innen und Geduldete dürfen nicht in Obdachlosigkeit entlassen werden.
  • Die Betreiber*innen der bisherigen Unterkünfte müssen qualifizierte Betreuer*innen in ausreichender Zahl bereitstellen. Diese Betreuer*innen unterstützen bei der Wohnungssuche, bei Besichtigungsterminen, stehen insbesondere bei rechtlichen, bürokratischen und sprachlichen Fragen zur Seite und übersetzen bei Gesprächen mit Vermieter*innen und Sachbearbeiter*innen.

 

» Die Wohnsitzauflage entfällt automatisch mit Abschluss des Asylverfahrens, gilt also auch nicht für Geduldete.

3. Soziale Leistungen und Unterstützung

Alle Flüchtlinge, Asylbewerber*innen und Geduldete haben ab dem Zeitpunkt ihrer Antragsstellung das Recht, an einem kostenfreien Integrations- und Sprachkurs teilzunehmen.

 

  • Alle Flüchtlinge, Asylbewerber*innen und Geduldeten sind bei dem Erwerb eines Schulabschlusses zu unterstützen. Alle Asylbewerber*innen und Geduldete, gleich welchen Alters, die eine Schule besuchen, müssen die Möglichkeit haben, neben der Schule noch einen ergänzenden Sprachkurs zu besuchen. Besonders in den Schulferien ist ein entsprechendes Angebot zu schaffen.
  • Alle Flüchtlinge, Asylbewerber*innen und Geduldeten müssen in jedem Fall ab dem Zeitpunkt ihrer Einreise Zugang zu kostenfreier psychologischer, psychiatrischer und psychotherapeutischer Hilfe haben.
  • Die Schilderung der Erlebnisse und Lebensumstände in der Erstbefragung durch die Sachbearbeiter*innen sind ausschlaggebend für die Bewilligung des Asylantrags. Deshalb müssen Asylbewerber*innen das Gespräch mit Sozialarbeiter*innen und Psycholog*innen vorbereiten.
  • Das Land Berlin schafft eine unabhängige Rechtsberatungsstelle für Flüchtlinge, Asylbewerber*innen und Geduldete, die diesen Personenkreis unmittelbar nach dessen Einreise über dessen Möglichkeiten innerhalb und außerhalb des Asylverfahrens berät.
  • Bei der Kommunikation mit dem zuständigen Amt ist die Unterstützung durch eine*n Anwält*in oder eine andere sachkundige Person sowie einer*s Dolmetscher*in zu gewährleisten.
  • Die Ansprüche auf medizinische Versorgung von Asylbewerber*innen und Geduldeten muss denen gesetzlich krankenversicherter deutscher Staatsbürger*innen angeglichen werden. Bisher wird nur die Behandlung akuter Erkrankungen und Beschwerden vom Sozialamt übernommen.
  • Die Vorrangregelung bei Arbeitsvermittlung wird abgeschafft. Diskriminierung am Arbeitsmarkt darf es auch gegen Asylbewerber*innen nicht geben.