Antrag 18/I/2014 Kreativität braucht Freiheit und Sicherheit

Status:
Annahme

I. Ein Pakt für Gute Arbeit in der Berliner Kreativwirtschaft

 

Die SPD Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses und die sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats werden aufgefordert, einen Pakt für Gute Arbeit in der Berliner Kreativwirtschaft zwischen allen Beteiligten zu initiieren und die notwendigen materiellen Voraussetzungen dafür zu schaffen.

In der Zusammenarbeit von Unternehmen, Kreativen, Politik und allen Institutionen der Berliner Kreativwirtschaft sollen damit die aktuellen prekären Arbeitsbedingungen in der Berliner Kreativwirtschaft bekämpft, die oft fehlenden sozialen Absicherung vieler Kreativschaffender gestärkt, und ein neues Bewusstseins für diese Problemlagen etabliert werden.

 

Der Pakt soll im Dialog zwischen den Kreativen, den Unternehmen der Berliner Kreativwirtschaft und der Politik sowie den Institutionen der Kultur- und Kreativwirtschaft ausgestaltet werden. Dieses sollte in Form eines „runden Tisches“ erfolgen, der über einen noch festzulegenden Zeitraum die notwendigen Regelungsbereiche diskutiert und abschließend einen gemeinsam formulierten Pakt zur Unterzeichnung durch alle Beteiligten vorlegt. Gleichzeitig soll die Arbeit des „runden Tischs“ von einem offenen Diskussionsprozess begleitet werden und so im Rahmen von Veranstaltungen und über eine Online-Plattform direkt Betroffene ansprechen und einbeziehen.

 

Folgende, nicht abschließend aufgeführte Regelungsbereiche sind Bestandteil des Paktes für Gute Arbeit in der Berliner Kreativwirtschaft:

 

Arbeit & soziale Absicherung:

  • Maßnahmen gegen Scheinselbstständigkeit, z. B. durch eine unabhängige Schiedsstelle
  • Sicherstellung und Kontrolle der Bezahlung in der Berliner Kreativwirtschaft und bei den von dieser beschäftigten Subunternehmen
  • Verbindliche Standards gegen die Ausnutzung von Praktikanten und anderen im Niedriglohnbereich Beschäftigten
  • Vereinbarung zur Bekämpfung der Besetzung von qualifizierten Stellen durch Praktikanten und Volontäre
  • Praktikanten- und Volontärstellen müssen als solche ausgewiesen werden
  • Weniger Befristung wagen
  • Wirksame Kontrolle aller Arbeitsschutz-Regelungen
  • Etablierung und Einhaltung familienfreundlicher Arbeitsbedingungen
  • Probleme und Chancen der Digitalen Arbeit
  • Flexibilität zum Vorteil aller nutzen, nicht zum Ausnützen der Angestellten
  • Anerkennung eines modernisierten Urhebervertragsrechts, das faire Bezahlung für die Kreativen (Urheber) sicherstellt und ihre Rechte schützt

 

Qualifizierung:

  • Schulungen für Kreative und Unternehmer, z. B. zur Selbstständigkeit
  • Qualifizierung Geschäftsführung usw. für Selbstständige
  • Koordinierung der zahlreichen Qualifizierungsmöglichkeiten
  • Gemeinsam aufgesetzte Qualifizierungs-maßnahmen
  • Unterstützung der Jobcenter bei der Vermittlung von Kreativen und der Ausbildung der in diesem Bereich vermittelnden Mitarbeiter
  • Arbeitsweise der Jobcenter an die vielfältigen Arbeitsformen in der Kreativwirtschaft anpassen

 

Förderung:

  • Staatliche Fördermaßnahmen im Kultur- und Kreativbereich an die Einhaltung der im Pakt festgelegten Mindeststandards binden
  • Entsprechende Regelungen für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten

 

Vergabe:

  • Öffentliche Vergaberichtlinien müssen an die Einhaltung der o.g. Mindeststandards gebunden werden.

 

Unabhängig von dem Zeitraum, der für die Ausgestaltung des Pakts für Gute Arbeit bis hin zur Unterzeichnung der verbindlichen Regelungen zu veranschlagen ist, beschließt der Landesparteitag folgende Maßnahmen, die ab sofort um-gesetzt werden sollen:

 

a. Kreativwirtschaftsbeauftragte in der Senatskanzlei

Die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus wird aufgefordert, dafür zu sorgen, dass bei der Senatskanzlei die Stelle eines Kreativwirtschafts-beauftragten geschaffen wird. Aufgabe dieser Stelle ist es, den Prozess hin zum Pakt für Gute Arbeit zu koordinieren. Begleitend soll sie sämtliche Belange der Kreativwirtschaft und die Notwendigkeit für Gute Arbeit in der Senatsverwaltung verankern. Das bedeutet beispielsweise, in den Wirtschaftskontakten und bei Auf-trägen und Fördermittelvergaben stets auf die Einhaltung der Mindeststandards zu pochen.

 

b. Runder Tisch der Berliner Kreativwirtschaft

Die Schaffung eines „runden Tisches“, der alle Beteiligten der Berliner Kreativwirtschaft, der Politik, Gewerkschaften sowie Institutionen der Kultur- und Kreativwirtschaft einbezieht und ausgewogen am Diskussionsprozess beteiligt. Über einen noch festzulegenden Zeitraum wird in diesem Forum sowie begleitend durch eine offene, netzgestützte Diskussion der Pakt für Gute Arbeit konkret ausgestaltet und abschließend allen Beteiligten zur Unterschrift vorgelegt.

 

c. Gütesiegel: Berlin – best place to work

Der Pakt für Gute Arbeit in der Berliner Kreativwirtschaft soll schon während des Diskussionsprozesses von PR-Maßnahmen flankiert werden. Zum einen, um die Leitgedanken des Pakts bei den Kreativen bekannt zu machen. Zum anderen, um die durch den Pakt entstehenden Standortvorteile zu sichern („Berlin hat jetzt Gute Arbeit!“). In diesem Rahmen wird ein „Best place to work“-Siegel etabliert, mit dem sich die beteiligten Unternehmen im Markt und bei potentiellen Arbeitnehmern präsentieren können.

 

II. Aufgaben der Berliner SPD

 

Die Berliner SPD wird den Status Berlins als Hauptstadt der Kreativen sichern und ausbauen. Wir wollen einen neuen Geist der Zugewandtheit aller Beteiligten der Berliner Kreativwirtschaft etablieren. Wir wollen die akuten Probleme der Berliner Kreativschaffenden, prekäre Arbeit, fehlende soziale Absicherung sowie ausbeuterische Arbeitsbedingungen, jetzt angehen und nicht warten, bis sich die Situation noch weiter verschlechtert hat.

 

Zugleich hängt die Arbeitsfähigkeit der SPD davon ab, ob sie als Partei der Arbeit sich auch den neuen Arbeitsformen des 21. Jahrhunderts wirksam und effektiv stellen kann und für diese passende Lösungen entwickelt, die alle KreativarbeiterInnen schützt, aber ihnen zugleich größtmögliche Entfaltung ermöglicht.

 

Die Kreativwirtschaft ist die Branche, in der sich die modernen Arbeitsformen des 21. Jahrhunderts bereits etabliert haben. Zumeist zum Nachteil der Kreativschaffenden. Berlin ist die Hauptstadt der Kreativwirtschaft. Deswegen stellt sich die SPD diesem Wandlungsprozess.

 

Neben dem Pakt für Gute Arbeit wird die SPD auch einen innerparteilichen Diskussionsprozess anschieben, der sich über die Probleme ausgehend von der Berliner Kreativwirtschaft mit den Herausforderungen des Arbeitsmarkts im 21. Jahrhundert beschäftigt. Bei einer Fachkonferenz Ende 2015 sollen die Ergebnisse dieses Diskussionsprozesses präsentiert und beschlossen werden.

Beschluss: Annahme in der Fassung der Antragskommission
Beschluss-PDF:
Stellungnahme(n):
  Stellungsnahme der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin Berliner Vergabestellen, die Aufträge im Sinne des § 98 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vergeben, unterliegen dem Berliner Vergabegesetz (BerlAVG).   Das BerlAVG ist im deutschlandweiten Vergleich vorbildlich. Es regelt, dass bei Vergaben von Aufträgen der öffentlichen Hand ökologische Kriterien berücksichtigt werden müssen. Leistungsanforderungen sind so anzufertigen, dass umweltfreundlichen und energieeffizienten Produkten, Materialien und Verfahren der Vorzug gegeben wird.   Bei der Vergabe von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen sollen Leistungen die unter Beachtung der ILO-Kernarbeitsnorm (z.B. der Ausschluss von Waren, die durch Zwangs- oder Kinderarbeit hergestellt wurden) hergestellt wurden, der Vorzug gegeben werden und Betriebe, die öffentliche Aufträge übernehmen, müssen nachweisen, dass sie Frauen fördern. Der bei der Ausführung der Leistung nach dem BerlAVG muss mindestens ein Stundenentgelt von 8,50 Euro bezahlt werden. Das Berliner Vergabegesetz ist für alle Beschaffungen der öffentlichen Hand und der öffentlichen Unternehmen anzuwenden, einzelne Branchen, wie z.B. die Kreativwirtschaft sind nicht ausgenommen.   Die Einrichtung eines Runden Tisches Kreativwirtschaft in der Senatskanzlei muss in der Fraktion und ggf. im Senat noch beraten werden.