Antrag 27/I/2017 Berlin als soziale Stadt der Mieterinnen und Mieter – nicht als Stadt der Wohnraumspekulation

Status:
Erledigt

Berlin steht vor einer schwierigen Herausforderung hinsichtlich der Wohnraumversorgung:

 

Einerseits fehlen günstige Mietwohnungen in genügender Anzahl, andererseits treibt die Wohnraumspekulation Preise für Baugrundstücke und Bestandsimmobilien in die Höhe. Vermehrt werden Wohnungen als Kapitalanlage errichtet, was dem Interesse der übergroßen Mehrheit der  angestammten und hinzuziehenden Berlinerinnen und Berlinern widerspricht.

 

Denn es verhindert eine adäquate Wohnraumversorgung durch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und andere gemeinwohlorientierte Akteure wie Genossenschaften. Daher muss die durch Spekulation bedingte Explosion von Grundstücks- und Immobilienpreisen durch politische Regulierung eine Trendumkehr erfahren.

 

Um den Trend aufzuhalten bzw. soweit zu dämpfen wie möglich, sind folgende Maßnahmen schnellstmöglich zu ergreifen:

 

1. Die Renditeerwartungen auf den Berliner Wohnungsmarkt sind durch politische Maßnahmen deutlich zu reduzieren:

 

Auf Bezirks- und Landesebene:

  • Der Senat unterstützt die Bezirke finanziell und durch eine verbesserte Personalausstattung sowie auf deren Wunsch konzeptionell bei der Ausweisung von weiteren Milieuschutzgebieten. Der Senat kann weiterhin durch Prüfaufträge die Ausweisung von Millieuschutzgebieten auf seine Kosten anregen.
  • Die Umwandlungsverbotsverordnung ist stadtweit anzuwenden, um den Anreiz für professionelle Entmietungsstrategien nach Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen zu nehmen und den bestehenden Mietwohnungsraum aufrechtzuerhalten.
  • Die Bezirksämter und die zuständige Senatsverwaltung mögen prüfen, wie ein Leerstandsregister eingeführt werden kann. Die Ausführungskosten, geplante Durchführungsmaßnahmen und der Personalbedarf sollen öffentlich gemacht werden. Nach Einführung wird eine vierteljährlich gegliederte Zusammenfassung der Register jährlich veröffentlicht. In dieser ist die Anzahl an Objekten und Gebäuden, sowie die Quadratmeter der Objekte und der Wohn- und Gewerbeeinheiten auf Ebene der lebensweltlich orientierten Räume aufzuführen (LOR). Dies kann auch innerhalb eines öffentlich zugänglichen Geoinformationssystems geschehen.
  • Im Zuge des „Berliner Modells der kooperativen Baulandentwicklung“ verpflichtet sich der Projektträger neben der Kofinanzierung und kostenfreien Eigentumsabtretung zu Gunsten sozialer Infrastruktur auch zur Übertragung (Vorkaufsrecht) von Eigentum an eine der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, sodass 30% von den geplanten Wohneinheiten von der jeweiligen Wohnungsbaugesellschaft als Sozialwohnungen gebaut werden können.

 

Auf Bundesebene:

 

  • Die bestehende Mietpreisbremse ist zu einem deutlich verschärften Mietpreisstopper weiterzuentwickeln. Bei Wiedervermietung darf die Miete demnach höchstens 1% statt 10% über die ortsübliche Vergleichsmiete steigen Bei Neubauten, die nach dem 1.10.2014 gebaut wurden, soll der Mietpreisstopper künftig ab der zweiten Vermietung gelten. Die Ausnahmen für Mietwohnungen, in denen bereits vor Einführung dieses Instruments eine höhere Miete gezahlt wurde, sind abzuschaffen. Über die Anwendung des verschärften Mietpreisstoppers entscheidet die zuständige öffentliche Gebietskörperschaft.
  • Die Modernisierungsumlage soll auf 7 % und maximal 10 Jahre begrenzt werden. Energetische Maßnahmen müssen auch tatsächlich Heizkostenersparnisse für Mieterinnen und Mieter nach sich ziehen können, die ihre Beteiligung an den Modernisierungskosten ausgleichen. Die Wirtschaftlichkeit und erwartbare Heizkostenersparnis ist durch den Vermieter nachzuweisen. Für Streitfälle zwischen Mietern/innen und Vermietern/innen über Kosten und Nutzen sind unabhängige Schiedsstellen einzurichten.

2. Schaffung von sozialem und gemeinwohlorientierten Wohnraum im großen Maßstab

  • Es ist ein Grundstücksfonds aufzulegen, der systematisch Bauland und Bestandswohnimmobilien aufkauft. Insbesondere sind dafür Verhandlungen mit der Deutschen Bahn als Staatsunternehmen

 

Der Berliner Senat soll innerhalb von 10 Jahren die Zahl öffentlicher Wohnungen am Berliner Wohnungsbestand auf mindestens 400.000 erhöhen. Innerhalb dieser Zeit sind die Grundlagen für eine langfristige Erhöhung des Anteils öffentlicher Wohnungen auf mindestens 50 Prozent des Bestands zu schaffen.“

 

  • Vom öffentlichen Wohnungsbestand sollen 40% Sozialwohnungen sein, die Belegungsquoten für besondere Bedarfsgruppen, so bspw. Flüchtlinge und auf barrierefreie Wohnungen Angewiesene, sind sachgerecht zu ermitteln. Sozialwohnungen sollen unbefristete Belegungs- und Mietpreisbindungen erhalten, der Anspruch auf Sozialwohnungen ist sachgerecht zu definieren.
  • Die Einstiegsmiete von WBS gebundenen Wohnungen sollte bei höchstens 5,20 €/qm nettokalt liegen. Der Neubau der landeseigener Sozialwohnungen setzt bisher bei 6,50 €/qm nettokalt an und überschreitet damit die von der AV Wohnen vorgesehenen Sätze für den Mietzuschuss für Hartz- IV-Empfänger deutlich. Die Miethöchstsätze sollen 9€/qm nettokalt nicht überschreiten. Diese Regelungen sollen den gemeinnützigen Neubau binden.
  • Wohnungen im kommunalen Eigentum werden nicht mehr an nichtkommunale Akteure verkauft.
  • Gemeinnützige Bauträger sind mit öffentlichen Geldern stärker zu fördern, ihnen sind Baugrundstücke preisgünstig von der Stadt zur Verfügung zu stellen.
  • In Berlin ist ein Bauträgerwettbewerb nach Wiener Vorbild einzuführen, in dem eine unabhängige Jury nach den Kriterien Architektur, Ökonomie, Ökologie und soziale Nachhaltigkeit über beantragte Bauprojekte entscheidet.
  • Bei der Umsetzung dieses Konzepts zur Schaffung von sozialem und gemeinwohlorientierten Wohnraum muss zudem stets darauf geachtet werden, dass es nicht zu einer Absenkung von Umweltstandards kommt. Die gesetzlichen Klimaschutzstandards sind bei jedweden Neubau einzuhalten.

 

3. Finanzierung

 

  • Zur Bewältigung der städtischen und gemeinwohlorientierten Wohnraumschaffung sind ein erhebliches Investitionsvolumen und eine nachhaltige Finanzierung des sozialen Wohnungsbestandes notwendig. Allerdings kämen ohne eine solche Kraftanstrengung auch enorme Kosten auf die öffentliche Hand zu, sofern sie den sozialen Ausgleich wahren wollte. Denn die sozialen Ausgleichsmaßnahmen müssten einkommensschwache Menschen stärker bezuschussen, damit sie sich die steigenden Mieten leisten können, oder privaten Eigentümern im Austausch für eine Belegungsbindung Marktmieten bezahlen. Entsprechend würde der finanzielle Aufwand für Wohngeld und sozialer Wohnraumförderung in Privatwohnungen wieder sehr stark ansteigen, ohne  eine nachhaltige Lösung des Problems darzustellen. Stattdessen sollen politische Regulierungsmaßnahmen Renditeerwartungen dämpfen.
  • Die Finanzierung soll hauptsächlich über die Grunderwerbssteuer erfolgen. Darüber hinaus sollen die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften ihre Überschüsse voll und ganz in den Wohnungsbau und in die soziale Wohnbauförderung investieren und nicht mehr den Landeshaushalt quersubventionieren.
  • Zuletzt ist ein sehr viel stärkeres Engagement des Bundes erforderlich, da es sich um eine gesamtstaatliche Aufgabe handelt und das Problem nicht allein Berlin betrifft. Die alleinige Zuständigkeit der Länder für die soziale Wohnraumförderung ist durch eine Grundgesetzänderung rückgängig zu machen. Sofern keine verfassungsändernde Mehrheit dafür zustande kommt, ist für die sogenannten Kompensationsmittel, die 2019 auslaufen, eine langfristige Lösung zu finden. Die Kompensationsmittel sind noch einmal deutlich aufzustocken.

 

Empfehlung der Antragskommission:
Erledigt bei Annahme 134/I/2017 (Konsens)