Antrag 109/I/2015 Συγγνώμη heißt Entschuldigung! Aufarbeitung der deutschen Schuld heißt gemeinsame Zukunft

Status:
Erledigt

Zweimal hat Deutschland im 20. Jahrhundert aus Aggression einen Weltkrieg losgetreten. Zweimal konnte Deutschland nieder gezwungen werden und war hoch verschuldet. Zweimal hat Deutschland sich seiner Schulden weitgehend entzogen. Denn weder wurden die Reparationen des Versailler Vertrags vollumfänglich geleistet, noch die des Zweiten Weltkriegs. Deutschland beging nicht nur die größten Verbrechen des 20. Jahrhunderts, es entzog sich auch seiner finanziellen Schuld.

 

Deutschland wäre mehrmals bankrott erklärt worden, hätten ihm nicht andere Staaten mit Fonds und Aufbauprogrammen unter die Arme gegriffen und trotz heftigster Kriegsschäden, die sie durch deutsche Truppen erlitten hatten, auf ihre Forderungen größtenteils verzichtet. Allein deswegen durfte Deutschland schon im Jahr 2010 die letzte Tilgungsrate des Versailler Vertrags begleichen und nicht erst viele Jahrzehnte später.

 

Dístomo ist ungesühnt

Nach dem deutschen Überfall auf Griechenland wurde es massiv ausgeraubt, die Bevölkerung massenweise ermordet. Die Deutschen stahlen die halbe Industrie, die Mehrheit der Straßen und Schienen und fast die gesamte Handelsflotte. Sie zwangen die Zentralbank zu einer Zwangsanleihe über 467 Millionen Reichsmark, dieser Raub wurde nie zurückgezahlt. 300 000 Griech*innen ließen die Deutschen verhungern, indem sie ihre Nahrungsmittel raubten und nach Deutschland schafften. 130 000 Widerstandskämpfer*innen wurden von den Deutschen ermordet. 70 000 jüdische Griech*innen wurden von den Deutschen in Konzentrationslagern vernichtet. Die Deutschen zerstörten hunderte Dörfer völlig, allein 200 im Sommer 1943. Sie massakrierten ganze Dorfgemeinschaften, in denen Partisan*innen vermutet wurden. Ein Beispiel hierfür ist das Massaker von Dístomo: Nachdem drei Deutsche im Parnassosgebirge von Partisan*innen erschossen wurden, überfiel die SS 1944 das Dorf. 218 Dorfbewohner*innen wurden ermordet, die Frauen vorher vergewaltigt und ihre Brüste abgemetzelt, Schwangere aufgeschlitzt. Nach dem Massenmord wurden alle Häuser gebrandschatzt. Deutschland hat die Entschädigung der Angehörigen bislang verweigert.

 

Deutschland muss zahlen

Die griechische Regierung hat, entgegen deutscher Beteuerungen, niemals auf Reparationen verzichtet, noch auf die bestehenden Forderungen aus der Zwangsanleihe. Nach dem Zweiten Weltkrieg forderte Griechenland eine Entschädigung von knapp 7,2 Milliarden Reichsmark um die Kriegsschäden zu begleichen. Das Londoner Schuldenabkommen (1953) stundete solche Zahlungen bis zum Abschluss eines Friedensvertrags. Deutschland schloss mit Griechenland (1960) einen Entschädigungsvertrag ab, der auf Wunsch der Adenauerregierung keine Reparationen beglich. Griechenland war auch keine Vertragspartei des Zweiplusviervertrags, darin enthaltene Vereinbarungen gelten für Griechenland nicht. Die griechische Regierung bestand im Jahr 1995 – nachdem vorher die deutsche Teilung als Argument für einen Aufschub der Zahlungen herangezogen wurde – erneut auf die Leistung von Reparationen und die Begleichung der Schulden. Wir erkennen diese (juristisch einwandfreie wie gerechte) Forderung an: Deutschland ist verpflichtet zu zahlen.

 

Freundschaft und Ausbeutung

Die Bundesrepublik wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in das polarisierte Beziehungsgeflecht des Kalten Kriegs eingebunden. Deswegen hatten die westlichen alliierten Befreier*innen bald kein Interesse mehr, dass Deutschland seine Schulden völlig zurückzahlen möge. Deutschland wurde wieder aufgebaut. Und es wuchs erneut zu einer Wirtschaftsmacht heran. Die europäische Integration ersetzte nun althergebrachte Feindbilder des Kontinents. Wirtschaftsbeziehungen wurden die Grundlage einer neuen westeuropäischen Friedensarchitektur. Vom wirtschaftlichen Aufschwung Deutschland profitierten viele Staaten, auch Griechenland. Zahlreiche griechische Gastarbeiter*innen halfen daran mit. Deutschland profitierte durch ihre massive Ausbeutung. Doch die Gastarbeit war attraktiv, da die Löhne höher als in Griechenland waren. So profitierten auch griechische Familien vom deutschen Aufschwung. Mehr als das: es entstanden persönliche, freundschaftliche Bindungen zwischen beiden Ländern. Spätestens als der Griechenlandtourismus während des Jugoslawienkriegs  ab den 1990ern boomte, wuchs Deutschland zu einer engen Partnerin Griechenlands heran. Es galt in den 2000ern als das beliebteste Land der Griech*innen, auch wenn die Besatzung nie vergessen wurde.

 

Seit Beginn der Finanzkrise werden wieder alte Stereotypen bedient. Politiker*innen und einige deutsche Medien, allen voran die Springer-Presse, verbreiten rassistische Hetze gegenüber Griech*innen. Hier lebt die verlogene Selbstwahrnehmung Deutschlands wieder auf: Deutschland bestünde demnach aus ehrlichen Kaufleuten, die Griech*innen wären verschlagene Trickser*innen. Ähnliche Zuschreibungen erfahren die Finanzminister Schäuble („gewissenhaft“) und Varoufakis („Spielertyp“). Diese Zuschreibungen kommen vielfach für überwunden gehaltenen Traditionen nahe, die einst Bilder von „verschlagenen Partisan*innen“ und „ordnungsstiftenden Deutschen“ propagierten. Die deutsch-griechischen Beziehungen wurden durch die Politik der Bundesregierung schwer beschädigt. Nicht zuletzt die teilweise volksverhetzende Stimmungsmache einiger deutscher Medien, allen voran die Springer-Presse, gegen die griechische Bevölkerung im Kontext der Europäischen Krise, aber auch die mitunter Arroganz deutscher Politiker*innen im Umgang mit ihren griechischen Kolleg*innen sind wesentliche Gründe für die notwendige Begegnung junger Menschen aus Griechenland und Deutschland im Sinne einer gemeinsamen europäischen Verständigung. Wenn Politik und Öffentlichkeit es nicht schaffen ein Klima der Verständigung, der Gemeinsamkeit und der Empathie zu erzeugen, muss die junge Generation über Möglichkeiten der Begegnung Ressentiments abbauen und Verständigung aufbauen können.

 

Konsequenzen ziehen: Reparationen und Kriegsschulden begleichen – und ein Deutsch-Griechisches Jugendwerk stiften!

 

  • Wir fordern die Bundesregierung auf, die Reparationen an Griechenland schnellstmöglich zu leisten. Wir fordern die Bundesregierung in diesem Sinne auf, insbesondere die Zwangsanleihe Griechenlands verzinst zurückzuzahlen.
  • Wir fordern die Bundesrepublik auf, die deutschen Kriegsverbrechen in Griechenland anzuerkennen und Überlebende und Angehörige zu entschädigen.
  • Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung und die SPD-Bundestagsfraktion dazu auf, sich für die Stiftung eines deutsch-griechischen Jugendwerks einzusetzen. Interkulturell ausgerichtete Jugendwerke auf europäischer Ebene, wie das deutsch-französische oder das deutsch-polnische Jugendwerk erfüllen eine wichtige Aufgabe in der Verständigung der jungen Generationen vor dem Hintergrund der Geschichte. Sie fördern Begegnung, Austausch, Gedenkarbeit und damit konkret die Annäherung junger Menschen im Sinne der europäischen Idee. Die Forderung nach der Stiftung eines deutsch-griechischen Jugendwerks bezieht sich sowohl auf die notwendige Erinnerungs- und Gedächtnispolitik im Hinblick auf die Verbrechen Nazi-Deutschlands, als auch auf eine gemeinsame Begegnungs- und Austauschmöglichkeit junger Menschen aus Griechenland und Deutschland. Ein weiteres Thema ist die Wirtschaftsgeschichte beider Länder, Stichwort Gastarbeit.

Die Stiftung eines Deutsch-Griechischen Jugendwerks darf nicht mit den Reparationsleistungen und Schuldenrückzahlungen seitens Deutschlands verrechnet werden, sondern steht als unabhängige Forderung.

 

Empfehlung der Antragskommission:
(Konsens)