Antrag 04/I/2015 Willkommen in Berlin bzw. Deutschland

Status:
Erledigt

1. Allgemeine Situation von Flüchtlingen weltweit und in Deutschland

Immer mehr Menschen fliehen aus ihren Heimatländern und suchen in Deutschland und Europa Zuflucht. Dass dabei in jüngster Zeit unzählige Menschen im Mittelmeer ertrunken sind, ist für uns ein unhaltbarer Zustand, der sofort beendet werden muss.

Für die SPD ist klar, dass wir Menschen in Not, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, bei uns aufnehmen. Während der letzten Jahre sind die Flüchtlingszahlen, resultierend aus den kriegerischen Konflikten in der Welt stark angestiegen (circa 200.000 Asylanträgen im Jahr 2014), sie sind aber noch lange nicht auf dem Niveau von 1992 (ca. 440.000 Asylanträge). Im internationalen Vergleich mit anderen Staaten nimmt die Bundesrepublik Deutschland sogar deutlich weniger geflüchtete Menschen auf.

Die Hauptursache der Flucht ist die steigende Anzahl von gewalttätigen Konflikten in der Welt. Allein in Syrien sind über drei Millionen Menschen auf der Flucht. Weltweit verzeichnet das UN-Flüchtlingshilfswerk fast 60 Millionen Flüchtlinge. Die meisten von ihnen kommen in den armen Nachbarländern unter. Im Libanon sind eine Millionen Flüchtlinge untergebracht, das heißt, auf einen Flüchtling kommen sechs Einwohnerinnen und Einwohner. In Deutschland ist es ein Flüchtling auf 400 Bundesbürgerinnen und -bürger. Eines der ärmsten Länder der Welt, Äthiopien, nimmt dreimal so viele Flüchtlinge auf wie Deutschland.

Wir müssen daher noch stärker als bisher unserer globalen Verantwortung gerecht werden. Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, dürfen wir nicht mit Misstrauen begegnen, sondern sie brauchen unsere Solidarität.

Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik müssen  in der Flüchtlingspolitik stärker  als bisher gemeinsam handeln. Die Probleme bei der Unterbringung von Flüchtlingen dürfen von der Bundes- über die Landesebene nicht auf die Kommunalebene abgewälzt werden.  Daher muss der Bund die Kommunen und Länder finanziell so ausstatten, dass Unterbringung von Flüchtlingen gewährleistet ist.  Weiterhin müssen  Bund, Länder und Kommunen gemeinsam prüfen, welche Liegenschaften vor Ort für die Unterbringung von Flüchtlingen geeignet sind.

 

2. Keine Einschränkungen des Grundrechts auf Asyl

Wir bekennen uns zum Grundrecht auf Asyl und fordern, dass alle Menschen, die hier Schutz suchen, ein faires und schnelles Asylverfahren erhalten. Dabei muss Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen. Jeder Mensch muss die Chance erhalten, dass seine oder ihre individuelle Situation geprüft wird und auf dieser Grundlage über den Asylantrag entschieden wird.

Weiterhin fordern wir, dass im Ausland erworbene Berufs- und Schulabschlüsse anerkannt werden und Flüchtlinge schneller als bisher eine Arbeitserlaubnis erhalten. Flüchtlinge müssen die Möglichkeit haben, hier zu arbeiten und ihrem Beruf nachzugehen. Das ist eine Chance sowohl für die Flüchtlinge, als auch für die Gesellschaft. Jugendliche Flüchtlinge, die in Deutschland eine Ausbildung begonnen haben oder einen Schulabschluss machen, müssen die Chance erhalten, die begonnene Ausbildung zu beenden, unabhängig davon ob dem Antrag auf Asyl stattgegeben worden ist.

Darüber hinaus fordern wir die bundesweite Abschaffung der Residenzpflicht. Es gibt keine Gründe, wieso wir einerseits die europäische Freizügigkeit loben, andererseits die Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen auf Gemeindegebiete einschränken.

 

3. Flüchtlingspolitik der Europäischen Union

Wir wollen keine „Festung Europa“. Im letzten Jahr starben allein im Mittelmeer mehrere Tausend Flüchtlinge bei dem Versuch, Europa zu erreichen. In den letzten Wochen sind weitere 1.500 Flüchtlinge während der Überfahrt nach Europa ertrunken. Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen noch mehr Maßnahmen ergreifen, damit kein Mensch sein Leben riskieren muss, um in Europa Schutz zu finden.

Bei allen Maßnahmen der EU-Grenzsicherung muss der Mensch mit seinem Anspruch auf Würde und Sicherheit im Mittelpunkt stehen. Die EU muss daher mit ausgebildeten Mitarbeitern Rettungsmaßnahmen von Flüchtlingen noch aktiver unterstützen und die Aufgaben der ausgelaufenen Rettungsaktion Mare Nostrum im vollen Umfang fortsetzen. Hierzu bedarf es auch einer besseren finanziellen Ausstattung der Maßnahmen durch die Mitgliedstaaten.

Wir benötigen die Schaffung mehr legaler Wege, nach Europa zu kommen. Bereits vorhandene Maßnahmen, wie die Ausstellung humanitärer Visa für Menschen aus Krisengebieten, müssen stärker genutzt werden. Neue Instrumente müssen geprüft werden, wie zum Beispiel die Nutzung des Botschaftsverfahrens, das es Flüchtlingen ermöglicht, bereits in den Botschaften der Herkunfts- oder Durchreisestaaten einen Asylantrag zu stellen.

Das derzeit geltende „Dublin-System“, das besagt, dass Flüchtlinge dort Asyl beantragen müssen, wo sie erstmals europäischen Boden betreten, muss überarbeitet werden. Die derzeitige Situation führt zu einer Überlastung der Aufnahmekapazitäten der Länder an den EU-Außengrenzen. Oft mit der Konsequenz, dass Flüchtlinge dort unter teils menschenunwürdigen Bedingungen untergebracht werden. Wir fordern daher einen fairen Verteilungsschlüssel, so dass die EU-Staaten je nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und Bevölkerungsgröße Flüchtlinge aufnehmen.

Flüchtlingspolitik muss auch immer Hand in Hand mit einer europäischen Außen- und Entwicklungspolitik einhergehen, die dazu beiträgt, dass Staaten und Gesellschaften stabilisiert werden, Armut bekämpft wird und den Menschen vor Ort Lebensperspektiven eröffnet werden.

 

4. Flüchtlingspolitik in Berlin

Die Anzahl der untergebrachten Flüchtlinge ist in den Bezirken nach wie vor höchst unterschiedlich und schwankt (Stand Januar 2015) von knapp 2.000 in Lichtenberg bis weniger als 400 in Neukölln. Weil wir Flüchtlingen mehr bieten wollen als nur Unterkünfte, spielen schulische, kulturelle und soziale Angebote im Umfeld, aber auch die Erreichbarkeit von Behörden eine wichtige Rolle. Wir wollen deshalb, dass die Flüchtlinge dezentral untergebracht werden.  Wir unterstützen ausdrücklich Modellprojekte zur Unterbringung wie das geplante „Integrationshaus“ in der Konrad-Wolf-Str.

Eine Konzentration von Flüchtlingsheimen in Gewerbegebieten und in Randlagen, lehnen wir ab. Wir fordern daher, dass es in Berlin zwischen den Bezirken eine solidarische Verteilung der Flüchtlinge gibt. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Bezirke diese Herausforderung meistern und die Menschen vor Ort für steigende Flüchtlingszahlen sensibilisiert werden können.

Daher ist es besonders wichtig, dass das Landesamt für Gesundheit und Soziales zeitnah und transparent mit den Bezirken, die Anwohnerinnen und Anwohner über die Unterbringung von Flüchtlingen informiert. In der Vergangenheit ist es viel zu oft dazu gekommen, dass Bezirk und Menschen vor Ort viel zu kurzfristig von neuen Flüchtlingsunterkünften erfahren. Das macht es deutlich schwieriger, um in der Bevölkerung hierfür zu werben und sie in den Prozess einzubeziehen. Daher fordern wir, dass ein Runder Tisch Flüchtlingsunterbringung eingerichtet wird, an dem neben Senat und die Bezirke auch Betreiber von Flüchtlingsunterkünften teilnehmen.

Bei Diskussions- und Informationsveranstaltungen in den Bezirken sollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesamts für Gesundheit und Soziales vor Ort sein, sodass die Bedenken und Probleme aus den unterschiedlichsten Kiezen auch in der zentralen Landesstelle gebündelt und für zukünftige Verfahren berücksichtigt werden können.

Wir lehnen es ab, wenn Flüchtlingsunterkünfte nur am Rand der Stadt errichtet werden und es damit zu einer weiteren Ausgrenzung kommt. Neue Standorte für Flüchtlingsunterkünfte müssen so geplant werden, dass eine Beschulung der Kinder in den Regelschulen möglich ist, es eine gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr gibt und eine soziale Infrastruktur im Umfeld von Flüchtlingsunterkünften vorhanden ist. Außerdem wenden wir uns gegen eine Massenunterbringung von Flüchtlingen in Traglufthallen. Die behelfsmäßige Unterbringung in Turnhallen darf nur eine Zwischenlösung sein und muss schnellstens beendet werden. Wenn wir Flüchtlinge konsequent integrieren und nicht weiter separieren wollen, dann müssen wir uns noch stärker als bisher dafür einsetzen, dass Flüchtlingen dezentral in Wohnungen untergebracht werden.

Weiterhin fordern wir, dass Flüchtlinge schneller als bisher Zugang zur gesundheitlichen Versorgung erhalten. Die bundesweit geplante und vom Land Berlin unterstützte Gesundheitskarte ist ein richtiger Schritt dazu. Sie ist unbürokratisch und soll das Schlange-Stehen für die Behandlungsscheine ersetzen. Wir fordern zudem die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass eine schnelle Erstuntersuchung möglich ist, Angebote für Impfungen zu unterbreitet werden und ausreichend psychologische Betreuung angeboten werden kann.

Eine Meldung bei den Behörden über den Aufenthaltsstatus der Patienten hat nur anonymisiert zu erfolgen, z.B. durch einen anonymen Krankenschein.

Weiterhin muss Flüchtlingen die Mobilität in der Stadt gewährleistet werden, indem sie die Angebote der BVG kostenlos nutzen können. Das ist einerseits wichtig, um Behördengänge oder Arztbesuche abzusichern, andererseits aber auch, um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Das bisherige Verfahren der Ausgabe von Fahrscheinen durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales ist entsprechend umzustellen.

Weiterhin setzen wir uns dafür ein, dass Deutschkurse vor Ort in den Unterkünften stattfinden und beispielsweise in Zusammenarbeit mit der IHK Praktika und Ausbildungsplätze für Flüchtlinge zu Verfügung gestellt werden.

 

5. Flüchtlinge sind in Berlin bzw. in Deutschland willkommen

In Lichtenberg sind Flüchtlinge willkommen und bleiben es auch. Wir werden unseren Beitrag leisten und Flüchtlinge im Bezirk unterbringen und hierfür geeigneten Wohnraum zur Verfügung stellen, sowie die Willkommenskultur weiter ausbauen. Anwohnerinnen und Anwohner wollen wir frühzeitig mit einbeziehen, wenn neue Flüchtlingsunterkünfte gebraucht werden und mit ihnen in einen Dialog treten, um ihre Vorbehalte gegenüber Flüchtlingen abzubauen. Wir wenden uns ganz entschieden, gegen rechtsextreme und fremdenfeindliche Stimmungsmache. Wir stehen für ein weltoffenes und tolerantes Lichtenberg.

Viele Menschen wollen Flüchtlinge aktiv unterstützen, ehrenamtliche Arbeit leisten oder Sachspenden abgeben. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Willkommenskultur im Bezirk. Wir möchten daher die Betreiber von Flüchtlingsunterkünften und Freiwillige stärken und die soziale Infrastruktur in der unmittelbaren Umgebung von Flüchtlingsunterkünften, wie beispielsweise Stadtteilzentren und Jugendfreizeiteinrichtungen, ausbauen, sowie Patenschaftsprojekte ins Leben rufen. Weiterhin setzen wir uns für eine Beschulung der Flüchtlingskinder in den Lichtenberger Regelschulen ein und wollen, dass kulturelle und Sportangebote im Bezirk, Flüchtlingen kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Auch weiterführende Sprachkurse müssen durch die Volkshochschule angeboten werden. Für die Umsetzung dieser Maßnahmen soll eine zentrale Koordinierungsstelle im Bezirksamt geschaffen werden und wir fordern eine Anhebung der Ausstattung der Stadtteilzentren durch das Land Berlin in unmittelbarer Umgebung der Flüchtlingsunterkünfte.

Empfehlung der Antragskommission:
(Konsens)