Antrag 60/II/2014 Eigenständige Jugendpolitik im Land Berlin. Berlin– Stadt der Jugend!

Status:
Erledigt
  •  Stärkere Verzahnung von Jugendarbeit und Schule als ein Ansatz für eine Eigenständige Jugendpolitik, durch langfristige Finanzierung und Qualitätssicherung
  • Beschluss eines Jugendfördergesetz, um so eine langfristige Planungssicherheit für Angebote der Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit zu schaffen, die auskömmlich finanziert sind
  • Etablierung eines kohärenten Übergangsmanagements zwischen Schule und Beruf durch u.A. Jugendberufsagenturen mit dem Anspruch „Keine*r darf verloren gehen!“ für alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen aufbauen und verstetigen. Das bedeutet in letzter Konsequenz auch, wieder einen auskömmlich öffentlichen Beschäftigungssektor in Betracht zu ziehen.
  • die Studien- und Ausbildungsbedingungen in Berlin spürbar verbessern.
  • Bessere Etablierung von Kinder- und Jugendbeauftragten /Kinder- und Jugendbüros in Verwaltungshandeln, ausgestattet mit einem festen und dauerhaften Etat und entsprechenden Kompetenzen.
  • Dialog mit Kindern, Jugendlichen und ihren Organisationsstrukturen deutlich intensivieren, um mehr über ihren Blick auf unsere Beteiligungslandschaften zu erfahren. So können wirksame Beteiligungsinstrumenten identifiziert und ausgebaut werden.
  • Vorlage eines entsprechenden Jugendbeteiligungskonzeptes innerhalb der laufenden Legislaturperiode durch den Berliner Senat
  • das „Abkommen für die Jugend“ mit dem Runden Tisch Jugend zu einem zentralen Element der Eigenständigen Jugendpolitik in Berlin weiterzuentwickeln und dessen politische Reichweite zu erweitern. Der Runde Tisch muss u.A. durch Jugendliche aus den Bezirken, Schüler*innen- und Auszubildendenvertretungen und Studierende erweitert werden.
  • Verankerung der UN-Kinderrechtskonvention in der Berliner Landesverfassung als rechtliche Grundlage neben dem Kinder- und Jugendhilfegesetz

 

Berlin verjüngt sich – Berlin die wachsende Stadt

Mehr junge Menschen denn je zieht es nach Berlin. In Folge dessen verändert sich die Altersstruktur in der Bevölkerung. Die Zahl der jungen Familien und ihrer Lebensmodelle nimmt zu, es werden jährlich mehr Kinder geboren. Die Nachfrage nach Kita– und Schulplätzen aber auch nach einer umfassenden Jugendarbeit als besondere Orte der außerschulischen Bildung steigt wieder. Die Auswirkungen sind auch auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt zu spüren. Das jahrelang verfolgte demographische Konzept einer alternden Stadt greift bei dieser Entwicklung zu kurz.

Zu kurz greift auch eine Jugendpolitik, die sich als Jugendhilfepolitik auf die Umsetzung der individuellen Rechtsansprüche des SGB VIII reduziert. Jugendpolitik ist Politik für alle Kinder und junge Menschen. Sie beschränkt sich nicht auf randständige und benachteiligte Jugendliche und sie endet auch nicht mit dem 18. Lebensjahr. Im Gegenteil: Jugendpolitik fördert und unterstützt die Lebenschancen aller jungen Menschen. Insofern ist Jugendpolitik Querschnittspolitik.

Um die Rechte von Kindern und Jugendlichen zu stärken, wollen wir die Kinderrechte im Grundgesetz verankern. Wir fordern den Berliner Senat auf, dazu eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen und den Geist der UN-Kinderrechtskonvention endlich auch ins Grundgesetz zu tragen. Einen revolutionären Grundgedanken also, wonach Kinder und Jugendliche an allen sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligen sind. Leider ist auch unsere Berliner Wirklichkeit noch weit von einem vergleichbaren Zustand entfernt.

 

Berlin – eine Stadt mit Perspektive für alle jungen Menschen

Damit Berlin diesem Anspruch genügen kann, wollen wir vorrangig:

  • dauerhaft bezahlbaren Wohnraum für junge Menschen schaffen, auch in den Innenstadtquartieren;
  • eine aktive nachhaltige Ausbildungs- und Arbeitsmarktpolitik für junge Menschen gestalten, die ihnen eine Perspektive im Erwerbsleben bietet;
  • für alle jungen Menschen in dieser Stadt, unabhängig von ihrer sozialen und ethnischen Herkunft, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung, eine nachhaltige Inklusionspolitik gestalten.

 

Berlin – eine Stadt als Bildungslandschaft

Um die Chancen der jungen Menschen in Berlin zu verbessern, werden wir:

  • die Qualität der Berliner Kitas als Orte frühkindlicher Bildung weiter verbessern und den Betreuungsschlüssel senken;
  • die Ganztagsschule als Ort des Zusammenwirkens von Jugendarbeit und Schule qualitativ und quantitativ mit dem Ziel weiter entwickeln, ein an den jungen Menschen ausgerichtetes Lernklima zu schaffen, das zur Entwicklung einer umfassend gebildeten und zur gesellschaftlichen Teilhabe fähigen Persönlichkeit beiträgt;
  • Politik als Schulfach stärken, da für viele Kinder und Jugendliche der Politikunterricht die einzige Möglichkeit darstellt, sich politisch zu informieren und weiterzubilden.
  • Inklusionsprozesse aller Menschen in einem Sozialraum auch am Ort Schule und Umgebung barrierefrei gestalten und dazu Schule noch stärker dem Sozialraum öffnen;
  • ein Jugendfördergesetz auf den Weg bringen, um so eine langfristige Planungssicherheit für Angebote der Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit zu schaffen, die auskömmlich finanziert sind;
  • den Übergang von der Schule in den Beruf für alle jungen Menschen besser unterstützen und gestalten, indem wir Jugendberufsagenturen mit dem Anspruch „Keine*r darf verloren gehen!“ für alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen aufbauen und verstetigen. Das bedeutet in letzter Konsequenz auch, wieder einen auskömmlich öffentlichen Beschäftigungssektor in Betracht zu ziehen.
  • die Studien- und Ausbildungsbedingungen in Berlin spürbar verbessern.

 

Allianz mit der Jugend ausbauen

Als Berliner SPD setzen wir uns daher für eine konsequente Entwicklung einer Eigenständigen Jugendpolitik im Land Berlin unter stärkerer Beteiligung von Jugendlichen und jungen Menschen ein. Denn sie sind die Expertinnen und Experten ihres eigenen Lebensumfeldes. Wir als Berliner SPD wollen nicht nur eine Allianz für die Jugend, sondern eine Allianz mit der Jugend. Berlin bietet hierzu eine gute Ausgangslage.

  • Mit dem „Abkommen für die Jugend“, welches 2009 vom Land Berlin und dem Landesjugendring unterzeichnet wurde, hat Berlin bereits einen Schritt in Richtung Eigenständige Jugendpolitik unternommen. Hierbei wurde Jugendpolitik nicht nur als Querschnittspolitik definiert, sondern auch anhand konkreter Politikbereiche (Integration, Bildung, Arbeit und Ausbildung, soziale Sicherheit, Kultur, Stadtentwicklung) dargestellt und thematisiert, welche Auswirkungen dieses Postulat hat.
  • Der durch das „Abkommen für die Jugend“ initiierte Runde Tisch Jugend orientiert sich primär an den Schnittstellen zu den wesentlichen Politikfeldern, da nicht nur Vertretungen von Jugendinteressen, sondern auch Verantwortliche aus anderen Bereichen (Tarifpartner, Bezirke, Abgeordnetenhaus, Liga) mit am Tisch sitzen.
  • Weitere Aktivitäten, wie z.B. der von der SPD initiierte Jugend-Demokratiefonds, ermöglichen es Jugendlichen, selbstverantwortlich eigene Partizipationsprojekte umzusetzen und bieten ihnen ein Forum, sich an der Formulierung einer Eigenständigen Jugendpolitik zu beteiligen.
  • In den Berliner Bezirken bestehen schon heute sehr unterschiedliche und vielfältige Beteiligungsmöglichkeiten, die gestärkt, ausgebaut, wo nötig aber auch kritisch hinterfragt werden müssen.

An diesen Aktivitäten gilt es anzusetzen, sie zu wirksamen Instrumenten der Beteiligung junger Menschen an der Formulierung einer Eigenständigen Jugendpolitik auszubauen.

Gleichzeitig wollen wir den Dialog mit Kindern, Jugendlichen und ihren Organisationsstrukturen deutlich intensivieren, um mehr über ihren Blick auf unsere Beteiligungslandschaften zu erfahren. Denn Sie als ExpertInnen in eigener Sache ernst zu nehmen bedeutet auch, neue Partizipationsangebote mit ihnen gemeinsam zu entwickeln und diese nicht nur für sie zu erfinden. Die Vertretungsstrukturen von Schülerinnen und Schülern können hierfür ein prominentes Beispiel sein.

 

Eigenständige Jugendpolitik gestalten

Eigenständige Jugendpolitik setzt an den Lebenswelten aller Jugendlichen an. Wir setzen uns entschieden dafür ein, die Belange und Sichtweisen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen stärker in den Fokus der Politik zu nehmen sowie die notwendigen Freiräume zum Erleben, Ausprobieren, Bilden und für die eigenständige Persönlichkeitsentwicklung jenseits einer massiv um sich greifenden Verwertungslogik zu erhalten bzw. zu schaffen. Die Gestaltung der Lebenswelten von und mit Jugendlichen ist Kernelement einer Eigenständigen Jugendpolitik aus sozialdemokratischer Perspektive. Eigenständige Jugendpolitik sieht junge Menschen mit ihren Rechten, Stärken und Möglichkeiten und nicht als Träger von Defiziten. Jugendliche wollen und können als Heranwachsende ihr Leben vielfältig selbst gestalten. Dafür müssen sie geeignete Rahmenbedingungen und Unterstützung vorfinden. Eigenständige Jugendpolitik nimmt die Jugendphase in öffentlicher Verantwortung als Ganzes in den Blick und reduziert sich deshalb nicht nur auf die Kinder- und Jugendhilfepolitik. Unter Berücksichtigung der vielfältigen und sich zunehmend auseinander entwickelnden Lebenswelten der Jugendlichen ist es deshalb besondere Herausforderung einer „guten“ Jugendpolitik, konsequent das in § 1 SGB VIII formulierte „Recht auf Förderung [der] Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ umzusetzen. Neben der Kinder- und Jugendhilfepolitik sind deshalb alle Politikfelder, da sie Einfluss auf die Lebenswelten Jugendlicher haben, in der Verantwortung für ein gelingendes Aufwachsen. Aus Querschnittspolitik erwächst hierbei auch Querschnittsverantwortung, die resortübergreifend übernommen werden muss – gegebenenfalls auch finanziell.

Die für Jugend unmittelbar zuständigen politischen Institutionen auf Landes- und Bezirksebene müssen damit auch die Rolle einer „Anwältin“ jugendspezifischer Belange gegenüber anderen Institutionen wahrnehmen. Daran und an der Formulierung dieser Belange sind Jugendliche angemessen zu beteiligen, wobei scheinpartizipative Verfahren und unverbindliche Konsultationen ausdrücklich keine angemessene Beteiligung darstellen. Nur durch die wirkliche Beteiligung von Jugendlichen und von ihnen selbst organisierter Interessensvertretungen kann die Ausgestaltung einer Eigenständigen Jugendpolitik im Interesse junger Menschen gelingen.

Für die konsequente Entwicklung und Implementierung einer Eigenständigen Jugendpolitik im Sinne einer „guten Jugendpolitik“ bekennt sich die Berliner SPD zum Beschluss des Parteikonvents. Wir werden uns dafür einsetzen, dass Politik auch auf Landesebene noch stärker als bisher von und mit Jugendlichen gedacht und gestaltet wird. Um dieses zu erreichen, bedarf es eines Umdenkens in Zivilgesellschaft, Verwaltung und Politik, aber auch einer stärkeren Aktivierung von Jugendlichen, verbunden mit verbesserten Beteiligungsmöglichkeiten. Die Interessen der jungen Menschen müssen im Mittelpunkt des politischen Handelns stehen und Politikbereiche müssen ihr Handeln im Sinne einer Querschnittspolitik für junge Menschen ausrichten. Dazu gilt es, das „Abkommen für die Jugend“ mit dem Runden Tisch Jugend zu einem zentralen Element der Eigenständigen Jugendpolitik in Berlin weiterzuentwickeln und dessen politische Reichweite zu erweitern.

 

Jugendbeteiligung ermöglichen

Im Rahmen der Entwicklung einer Eigenständigen Jugendpolitik müssen nachhaltig angelegte neue Beteiligungsformen erprobt werden. Neben den schon bewährten bezirklichen Ansätzen, dem jährlichen landesweiten Jugendforum und dem Runden Tisch soll es weitere Möglichkeiten für junge Menschen geben, sich mit ihren Vorstellungen einzubringen. Das können jugendgerechte Veranstaltungen mit Forumscharakter, aber auch Foren im Internet sein. Dabei sollten Diskussionen zu Problembereichen angeregt werden, die von Politik und Vertretungen von Jugendinteressen benannt werden, aber die jungen Berliner*innen sollten auch dazu ermutigt werden, eigene Fragestellungen offensiv einzubringen. Senatsjugendverwaltung und bezirkliche Jugendämter sollen jeweils für ihren Zuständigkeitsbereich den Rahmen dafür schaffen, dass diese Dialoge stattfinden, deren Ergebnisse zur Kenntnis genommen sowie von den zuständigen politischen Instanzen im Dialog mit den jungen Menschen in ihre Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Der Runde Tisch muss durch Jugendliche aus den Bezirken, SchülerInnen- und Auszubildendenvertretungen und Studierende erweitert werden.

Wir fordern den Berliner Senat auf, noch in dieser Legislaturperiode ein entsprechendes Jugendbeteiligungskonzept vorzulegen, das von Anfang an unter Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen erarbeitet werden soll.

Die Berliner SPD sieht schon jetzt besonderen Handlungsbedarf:

  • bei der Schaffung von neuem Wohnraum in der Stadt
  • bei der Ausbildungs- und Arbeitsmarktpolitik
  • bei der Etablierung partizipativer Stadtentwicklungskonzepte
  • bei der Entwicklung von Schulen und Hochschulen
  • bei der Gestaltung von Inklusionsprozessen
  • bei der Ausgestaltung und Förderung von Jugendarbeit und Freizeitangeboten
  • bei der Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre

In all diesen Bereichen sollen im Dialog und im Bündnis mit der Jugend der Stadt Verbesserungen geplant und umgesetzt werden.

 

Es ist das Ziel der Berliner SPD, ein Klima und einen Rahmen zu schaffen, in dem die jungen Menschen in allen kommunalen und gesamtstädtischen Belangen eine nicht zu überhörende Stimme haben. Kinderrechte sind Menschenrechte und in diesem Geiste wollen wir sie in unserer Stadt auch implementieren.

Empfehlung der Antragskommission:
(Konsens)