Antrag WV64/II/2017 „Adels“-zusätze in Namen endgültig streichen: Republikanismus und soziale Gerechtigkeit leben

Wir fordern, dass das deutsche Namensrecht geändert wird. Zukünftig muss es untersagt sein, als Namensbestandteile geführte „Adels“-titulierungen und -prädikate an die nächste Generation weiterzugeben. Die Folge muss sein, dadurch alle „Adels“-titulierungen und -prädikate – ähnlich wie schon in dem österreichischen „Adelsaufhebungsgesetz“ geregelt – endgültig abzuschaffen. Bei mehreren „Adels“-titulierungen wird der Name in einen Doppelnamen geändert.

 

„Adels“-privilegien bis heute

Wissenschaftliche Studien belegen immer wieder, dass Personen mit „Adels“-namen bei Bewerbungsverfahren bevorzugt werden. In einigen Bereichen wie dem diplomatischen Dienst ist sogar noch eine starke Präsenz klar erkennbar. Selbstverständlich lassen sich die „adeligen“ Netzwerke so nicht beseitigen, aber etwas eindämmen. Anonymisierte Bewerbungsverfahren lassen sie zwar auch etwas abfedern, aber stoßen meist bei exponierten Leitungspositionen an ihre Grenzen. Deshalb braucht es weitere Maßnahmen.

Es ist klar, dass sich die verfestigte soziale Ungleichheit nicht mit dem Namensrecht ändern lässt– dafür braucht es massive Umverteilung und verbesserte Bildungschancen –, aber wir können diese feudalistischen Spuren in unserer Gesellschaft nicht einfach ignorieren. Das hundertjährige Jubiläum bietet die Möglichkeit, endlich diesen überfälligen Schritt nachzuholen!

 

Karenzzeit von 100 Jahren reicht

Mit der Revolution von 1918/19 nutzten die damaligen Republikgründer*innen eine Chance nicht: Sie hätten nicht nur die Titel der privilegierten sozialen Gruppe des Adels in einen Nachnamenszusatz umwandeln können – sondern hätten gleich die gesamte „Adels“-titulierung streichen können. Diese Entscheidung bildet bis heute die Basis für den namensrechtlichen Umgang mit „Adels“-zusätzen. Leider hat diese Regelung Tor und Tür dafür geöffnet, diese Form des (angenommenen) sozialen und kulturellen Kapitals zur Schau zu stellen und so zum eigenen Vorteil einzusetzen.

 

Kaum bekannte Rechtslage

Bis heute führen diese Gesetzesgrundlage und die erfolgreiche Lobbyarbeit von „Adels“-verbänden dazu, dass diese Namenszusätze als Titel gebraucht werden. In vielgelesenen Boulevardblättern werden Fürst*in, Graf*Gräfin, Baron*in und Freiherr*Freifrau ganz selbstverständlich als Titel verwendet. In Empfehlungen für Anreden gibt es in der Regel spezifische Hinweise zu „Adels“-anreden. In Namenslisten taucht eine Person „von“ meist nicht unter „V“, sondern unter ihrem „eigentlichen“ Nachnamen auf. Der Namenszusatz wird also kurzerhand wieder zum Titel. Parallel verbietet das deutsche Vornamensrecht, „Adels“-titel als Vornamen zu vergeben. Das „Adels“-privileg ist in der deutschen Gesellschaft folglich nicht vollständig abgeschafft. Das müssen wir ändern!

 

Zukünftige Generationen ohne „Adels“-zusätze im Namen

Von niemandem müsste der Name plötzlich geändert werden. Schließlich müsste nur sichergestellt sein, dass er nicht an die nächste Generation vererbt wird. Auch die Tradition eines Namens kann problemlos weitergeführt werden, da der „eigentliche“ Nachname erhalten bleibt und nur die Zusätze verschwinden. Die identitätswahrende Wirkung ist somit ebenfalls gegeben. Zuletzt bestätigte der Europäische Gerichtshof die österreichische gesetzliche Regelung explizit.

 

Wir sollten uns deshalb in bester republikanischer und antimonarchistischer Tradition der Sozialdemokratie diese Möglichkeit zunutze machen. Eine dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes folgende Begründung für diese „Adels“-namenszusätze kann es schlicht nicht geben.

Empfehlung der Antragskommission:
reject (Konsens)
Fassung der Antragskommission:

Landesvorstand 2018: Überweisung an FA III – Innen- und Rechtspolitik und FA IX – Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz

 

Votum zum Antrag 64/II/2017 zum Landesparteitag am 17.11.2018 für die Antragsberatung im Fachausschuss III:

Die Antragsteller stellen den Antrag:

„Adels“-zusätze in Namen endgültig streichen: Republikanismus und soziale Gerechtigkeit leben

Empfehlung: Ablehnung

 

Begründung

Im Deutschen Reich wurden 1919 mit Art. 109 Abs. 3 der Weimarer Verfassung die Vorrechte des Adels abgeschafft. Ehemalige Titel gelten seitdem als Namensbestandteil und können nicht mehr verliehen werden.

Art. 109 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung:
Öffentlich-rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes sind aufzuheben. Adelsbezeichnungen gelten nur als Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden.

Diese Rechtslage besteht fort. Dem Adel gehören in Deutschland schätzungsweise 0,1 Prozent der Bevölkerung an. Er hat weder politische Privilegien, noch übernimmt er eine zugewiesene oder übernommene Funktion in der Gesellschaft.

Der Antrag umfasst daher nicht die Abschaffung der Titel, die längst vollzogen ist, sondern die Abschaffung der Vorteile, die ein „guter“ Name mit sich bringt. Dass ein Name mit Adelsbestandteil bei Bewerbungen auf bestimmte Positionen von Vorteil sein kann, ist möglich und in bestimmten Positionen naheliegend. Der Antrag zitiert diesbezüglich pauschal „wissenschaftliche Studien“, die dies belegen würden. Die Antragsteller behaupten selbst nicht, dass dies flächendeckend erfolgt und erhebliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt  haben könnte. Es sollte  beachtet werden, dass nur ca. 0,1% der Bevölkerung überhaupt adelige Namen trägt. Eine Regelungsbedürftigkeit kann in Anbetracht abnehmender Arbeitslosenzahlen daher kaum gesehen werden.  Namen sind identititätsstiftend. Die Wegnahme einzelner Namensbestandteile sind ein erheblicher Eingriff in die Genealogien der/des einzelnen und mit vagen Nachteilen einiger weniger nicht zu rechtfertigen.

Das Ziel, die Bevorzugung von Personen mit „adeligen“ Namen zu verhindern, kann schließlich auch durch andere Maßnahmen als die „Wegnahme“ eines Namensbestandteils erreicht werden. Hierfür gibt es unseren Ansatz, Bewerbungen nur noch in anonymisierter Form zuzulassen. Solches hätte auch den Vorteil, dass „nachteilige“ Namen wie etwa ausländisch klingende Namen bei Bewerbungen uä. nicht auffallen und hieraus auch keine Nachteile erwachsen können.

Beschluss: Beschluss des Landesvorstands 09.04.2018: Überweisung an: FA IX – Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz und FA III - Innen- und Rechtspolitik
Beschluss-PDF: